Der rechtliche Rahmen der ESG-Kriterien – wo finde ich Antworten?

ESG (Environment, Social, Governance) ist kein klar definierter rechtlicher Begriff, da die einzelnen Kriterien verschiedene Lebens- und Geschäftsbereiche umfassen, die durch eine ganze Reihe von Rechtsvorschriften geregelt werden. Der Katalog der ESG-Vorschriften ist offen und wir gehen davon aus, dass er sich noch erweitern wird. An vorderster Front stehen die sich rasch entwickelnden Vorschriften für die so genannte nichtfinanzielle Berichterstattung. In den neuen Vorschriften ist ein Trend zur Harmonisierung der im Zusammenhang mit ESG verwendeten Regeln und Terminologie zu beobachten. Im vorliegenden Artikel fassen wir die wichtigsten ESG-Regelungen der EU sowie Polens sowie ihre primären Ziele knapp zusammen.

Überblick über den Artikel:

  • EU-Gesetzgebung
  • Rechtlicher Rahmen für die nichtfinanzielle Berichterstattung – Schritt für Schritt
  • Polnisches Recht
  • Welche Sanktionen gibt es bei Nichteinhaltung der ESG-Vorschriften?
  • Zusammenfassung

EU-Vorschriften – der European Green Deal, Ready for 55 u.a.

Die Initiierung und Entwicklung von ESG-Maßnahmen liegt weitgehend in der Verantwortung der Europäischen Union, die ihre Ziele in der Mitteilung der Kommission vom 11. Dezember 2019 – European Green Deal. – COM(2019) 640 vorgestellt und u.a. durch das Legislativpaket Ready for 55, dessen rechtlicher Rahmen die Mitteilung der Kommission vom 14. Juli 2021 ist. – KOM(2021) 550, umgesetzt hat. In Anbetracht dessen ist es nicht überraschend, dass die treibende Kraft hinter der Entwicklung der ESG-Regulierung Entscheidungen sind, die im Rahmen der EU getroffen werden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegt ein wichtiger Schwerpunkt auf Vorschriften im Zusammenhang mit nichtfinanziellen Berichtspflichten, d. h. einer Berichterstattung, die die Auswirkungen des Kampfes gegen die durch ESG definierten Herausforderungen aufzeigt.

Die Hauptadressaten der vorgenannten Vorschriften sind die wichtigsten Makromarktakteure. Dabei handelt es sich um Teilnehmer des Finanzsektors, des Versicherungssektors und um an geregelten Märkten notierte Unternehmen. Da diese Unternehmen jedoch meldepflichtige Informationen von ihren Gegenparteien einholen müssen, wird die Zahl der von der Meldepflicht betroffenen Unternehmen in der Praxis viel größer sein.

  • Zweck der oben genannten Gesetzgebung ist es, Pflichten zur Offenlegung einer Reihe ESG-relevanter Informationen aufzuerlegen.
  • Die Schaffung eines einheitlichen Rahmens soll helfen, die ESG-Compliance von Unternehmen zu verstehen, zu überwachen und durchzusetzen.
  • Die Bewertung der ESG-Compliance kann sowohl aus der Sicht von Investoren als auch von Verbrauchern, Arbeitnehmern und Gesetzgebern, also de facto der Mehrheit der Marktteilnehmer, relevant sein.

Der rechtliche Rahmen für die nichtfinanzielle Berichterstattung – Schritt für Schritt

  • Richtlinie 2014/95 des Europäischen Parlaments (EP) und des Rates (EU) – sog. NFRD, Nonfinancial Disclosure Reporting Directive

Die Richtlinie schreibt die Aufnahme einer zusätzlichen Erklärung über nichtfinanzielle Informationen, die für das Verständnis der Entwicklung des Unternehmens relevant sind, zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitsfragen, Menschenrechten sowie Korruptions- und Bestechungsbekämpfung in Lageberichte vor.

  • Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates, sog. SFDR oder Sustainable Finance Disclosure Regulation       

Regelt die nichtfinanzielle Berichterstattung im Finanzmarktbereich, einschließlich der Einführung einer Verpflichtung zur Berichterstattung über die Strategie für Nachhaltigkeitsrisiken bei Anlageentscheidungen und zur Offenlegung der negativen Auswirkungen von Anlageentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren.

  • Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates, sog. EU-Taxonomie

Vereinheitlicht die ESG-Terminologie, verbessert die Umsetzung der ESG-Prinzipien durch den Finanzmarkt und schafft eine einheitliche Grundlage für die Prüfung der Umweltauswirkungen von Projekten, was insbesondere die Straffung der Kapitalströme in Richtung grüner Investitionen sowie die Einführung von Lösungen zur Bekämpfung des sogenannten „pseudo-grünen Marketings“ ermöglichen soll.

  • Delegierte Verordnungen der Kommission (EU) zur Ergänzung der SFDR und der EU-Taxonomie, z. B. Nr. 2022/1288

Verpflichtungen im Rahmen der SFDR und der EU-Taxonomie werden geklärt oder erweitert, einschließlich der Klärung des Inhalts und der Darstellung der Offenlegungen oder der Festlegung von Kriterien und technischen Standards.

  • Richtlinie des EP und des Rates (EU) 2022/2464, sog. CSRD oder Corporate Sustainability Reporting Directive

Ersetzt die NFRD und weitet die Berichterstattungsmechanismen auf kleine und mittlere Unternehmen aus, regelt die ESG-Prüfung und klärt die Regeln für die ESG-Berichterstattung

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit

Die CSDD (Entwurf der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 vom 23. Februar 2022, KOM(2022) 71 endgültig), die derzeit erarbeitet wird, stellt ebenfalls einen wichtigen Rechtsakt dar.

Sobald sie eingeführt ist, müssen die Unternehmen beim Aufbau ihrer Lieferkette die gebührende Sorgfalt walten lassen, indem sie ihre negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen ermitteln, bewerten und steuern. Der Richtlinienentwurf sieht Sanktionen für Verstöße gegen die diesbezüglichen Verpflichtungen vor. Am 31. Juli 2023 hat die Europäische Kommission eine delegierte Verordnung zur Annahme der Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) angenommen. Ziel der ESRS ist es, bereichsübergreifende Normen und detaillierte Standards für die Berichterstattung in Übereinstimmung mit der EU-Taxonomie und der CSRD festzulegen und insbesondere den Vergleich und die Überprüfung von Daten zu ermöglichen.

ESG im polnischen Recht

Die oben erwähnten EU-Regelungen haben ihre Spuren in der polnischen Gesetzgebung hinterlassen. Als EU-Mitgliedstaat hat Polen damit begonnen, ESG-Lösungen umzusetzen. Einige EU-Vorschriften – insbesondere solche, die in Form von Verordnungen erlassen wurden – haben den Charakter von Rechtsakten, die unmittelbar in der gesamten EU gelten. Richtlinien hingegen bedürfen der Umsetzung, d.h. der Verabschiedung von nationalen Gesetzen, die die in den Richtlinien vorgesehenen Lösungen in die nationale Rechtsordnung implementieren. Die polnische Rechtsordnung hat noch kein spezifisches Gesetz erlassen, das ESG-Themen umfassend regeln würde.

Allerdings werden ESG-Themen durch einige der in Polen geltenden Spezialgesetze geregelt, die Themen wie Rechnungslegung, Finanzmarkt, Umweltschutz, Arbeitsrecht oder Wettbewerbs- und Verbraucherschutz betreffen.

So wurden beispielsweise die Verpflichtungen, die sich aus dem NFRD ergeben, durch das Gesetz zur Änderung des Rechnungslegungsgesetzes (poln. Ustawa o rachunkowosci) vom 15. Dezember 2016 in das polnische Recht eingeführt. Dieses beinhaltet den neuen Artikel 49b, der eine Verpflichtung zur Aufnahme von nicht-finanziellen Informationen in Jahresabschlüsse beinhaltet. Art. 49b des Rechnungslegungsgesetzes bezieht sich auf Unternehmen, die in dem Geschäftsjahr, für das sie einen Jahresabschluss erstellen, und im Jahr davor mehr als folgende Größenordnungen erfüllen

  • 500 Personen – im Falle einer durchschnittlichen jährlichen Vollzeitbeschäftigung oder
  • 85.000.000 PLN – im Falle der Summe der Aktiva in der Bilanz zum Ende des Geschäftsjahres oder 170.000.000 PLN – im Falle der Nettoeinnahmen aus dem Verkauf von Waren und Erzeugnissen im Geschäftsjahr.

Die Erklärung zu den nichtfinanziellen Informationen muss mindestens Folgendes enthalten:

  • eine kurze Beschreibung des Geschäftsmodells des Unternehmens
  • die wichtigsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, die für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens von Bedeutung sind
  • eine Beschreibung der vom Unternehmen verfolgten Politik in Bezug auf Soziales, Arbeit, Umwelt, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung sowie eine Beschreibung der Ergebnisse der Anwendung dieser Politik
  • eine Beschreibung der Sorgfaltspflichtverfahren, die das Unternehmen in Bezug auf die vorgenannten Grundsätze anwendet
  • eine Beschreibung der wesentlichen Risiken, die mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens verbunden sind und die sich nachteilig auf die unter Punkt 3 genannten Aspekte auswirken könnten, einschließlich der Risiken, die mit den Produkten des Unternehmens oder seinen Beziehungen zum externen Umfeld, einschließlich der Gegenparteien, verbunden sind, sowie eine Beschreibung des Managements dieser Risiken.

Ein Unternehmen kann bei der Erstellung der Erklärung über nichtfinanzielle Informationen beliebige Grundsätze anwenden, einschließlich seiner eigenen Grundsätze, nationaler, EU- oder internationaler Standards, Normen oder Leitlinien.

Neben anderen nationalen Vorschriften und direkt anwendbaren EU-Vorschriften in Polen, die ESG-relevante Themen regeln, sind die folgenden Vorschriften erwähnenswert:

  • Arbeitsgesetzbuch
  • Handelsgesellschaftsgesetzbuch
  • Datenschutz
  • Rechnungslegungsgesetz
  • Gesetz über den Schutz von Wettbewerb und Verbrauchern
  • Gesetz über die Versicherungstätigkeit und das Versicherungswesen
  • Verordnung über den Marktmissbrauch
  • Bankrecht
  • Gesetz über den Handel mit Finanzinstrumenten

Welche Sanktionen drohen bei Nichteinhaltung der ESG-Vorschriften?

Die ESG-Vorschriften der EU enthalten in der Regel keine Bestimmungen, die per se verwaltungs- oder strafrechtliche Sanktionen für die Nichteinhaltung vorsehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Marktteilnehmer nicht für die Nichteinhaltung von ESG-Vorschriften bestraft werden können.

Nationale ESG-Gesetze können im Rahmen spezifischer Gesetze, die sich mit ESG-Themen befassen, einschließlich der oben erwähnten, Gründe für Sanktionen liefern.

Eine besondere Rolle spielen dabei die Bestimmungen des Finanzmarktaufsichtsgesetzes, die der polnischen Finanzdienstleistungsaufsicht (poln. Komisja Nadzoru Finansowego, KNF) die Befugnis einräumen, die Einhaltung der Bestimmungen der SFDR durch die Marktteilnehmer durchzusetzen: Im Falle eines Verstoßes gegen die Verpflichtungen aus der SFDR, wie z. B. die Verpflichtung, über die negativen Auswirkungen bestimmter Finanzprodukte auf die Nachhaltigkeit zu berichten, kann die KNF insbesondere

  • die Einstellung der Tätigkeiten anordnen, die zu Verstößen geführt haben,
  • die zuständigen Behörden eines Finanzmarktteilnehmers auffordern, das für den Verstoß verantwortliche Mitglied der Geschäftsleitung des Unternehmens zu entlassen
  • die Bereitstellung bestimmter Finanzprodukte zu untersagen oder finanzielle Sanktionen zu verhängen.

Das Rechnungslegungsgesetz wiederum sieht vor, dass eine Person, die es entgegen seinen Bestimmungen unterlässt, Dokumente im Zusammenhang mit der nichtfinanziellen Berichterstattung auf ihrer Website zu veröffentlichen, mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe belegt wird.

Andererseits betrachtet das Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz (Urzad Ochrony Konkurencji i Konsumentow, UOKiK) Greenwashing als eine Praxis, die gegen die kollektiven Verbraucherinteressen verstößt, da sie die Pflicht verletzt, den Verbrauchern zuverlässige, wahrheitsgemäße und vollständige Informationen zu liefern. Gegen Unternehmen, die solche Handlungen vornehmen, werden angemessene Sanktionen verhängt.

Insbesondere ist der Präsident des Amtes für Wettbewerb und Verbraucherschutz (UOKiK) befugt, die Einstellung solcher Praktiken anzuordnen und eine Strafe in Höhe von bis zu 10 % des Umsatzes des Unternehmers in dem Geschäftsjahr vor dem Jahr der Verhängung der Strafe aufzuerlegen.

Für die Zukunft wird u. a. die Einführung spezifischer strafrechtlicher Bestimmungen für die Fälschung von ESG-Daten erwogen.

Zusammenfassung

Wie man sieht, lassen sich die regulatorischen Fragen im Zusammenhang mit ESG in zwei Hauptbereiche unterteilen:

  • der sich dynamisch entwickelnde Bereich der so genannten nichtfinanziellen Berichterstattung, der auf EU-Ebene zentralisiert ist und sich derzeit auf die Verpflichtungen konzentriert, die den größten Marktteilnehmern auferlegt werden, und
  • die übrigen ESG-Vorschriften, die in verschiedenen EU-Gesetzen und nationalen Gesetzen zum Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz oder zur Unternehmensführung verstreut sind und bereits für alle Unternehmen gelten.

Um die Einhaltung der ESG-Vorschriften in ihrem Unternehmen zu bewerten ist es ratsam, entsprechende Berater in Anspruch zu nehmen, die in der Lage sind, eine umfassende, vielschichtige Prüfung ihres Unternehmens durchzuführen und die wichtigsten Pflichten und verbesserungswürdigen Bereiche zu ermitteln.

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