White Collar Crime – die neuesten Vorschriften und ihre Auswirkungen TEIL 1

Im Folgenden werden die für die Praxis der Wirtschaftskriminalität relevanten regulatorischen Entwicklungen aufgeführt, die in der letzten Zeit verabschiedet wurden und nun in Kraft treten bzw. bereits in Kraft getreten sind. Gleichzeitig weisen wir auf die Herausforderungen hin, die das Jahr 2023 mit sich bringen wird. Der vorliegende erste Teil des Beitrags beschäftigt sich mit Änderungen im polnischen Strafrecht sowie Gesellschaftsrecht. Im zweiten Teil stellen wir Änderungen u.a. des sogenannten Sanktionsgesetzes sowie des Gesetzes über die Haftung kollektiver Rechtsträger im Bereich von Umweltstraftaten vor.

Ein Überblick über die letzten Änderungen

  • das Recht eines Aktionärs und eines Gesellschafters, einen Antrag auf Verfolgung einer Straftat nach Artikel 296 Absatz 1a des polnischen Strafgesetzbuchs („StGB“) zu stellen, d. h. der Straftat der Misswirtschaft, die zu einem unmittelbar drohenden Vermögensschaden im Wert von mehr als 200 000 PLN führt.
  • die Verschärfung der Strafen u. a. für die Straftatbestände des Betrugs (Art. 286 StGB) und der Misswirtschaft (Art. 296 StGB)
  • Verhängung von Freiheitsstrafen von bis zu 30 Jahren und der Möglichkeit der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafen ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen bedingten Entlassung
  • Sicherung von Vermögenswerten noch vor Anklageerhebung
  • Obligatorische Beschlagnahme eines Kraftfahrzeugs bei Fahren unter Alkoholeinfluss
  • das Inkrafttreten des so genannten Sanktionsgesetzes
  • Abschaffung der rechtskräftigen Verurteilung natürlicher Personen als Voraussetzung für die Haftung einer kollektiven Einheit (z. B. eines Unternehmens) für Umweltdelikte
  • strafrechtliche Haftung für die nicht rechtzeitige oder nicht den Tatsachen entsprechende Erteilung von Auskünften, Unterlagen, Berichten oder Erklärungen an den Aufsichtsrat oder für das Verschweigen von Daten (Art. 5871 des Handelsgesellschaftsgesetzbuches „HGGB“)
  • die strafrechtliche Haftung für die Behinderung des Zugangs zu Dokumenten und die Nichtbereitstellung von Informationen an den Berater des Aufsichtsrates (Art. 5872 HGGB)
  • Obligatorisches Compliance-System in allen Aktiengesellschaften
  • Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA und polnischen Finanzaufsichtsbehörde KNF für AML-Beauftragte

Änderung des Strafgesetzbuches

Am 2. Dezember 2022 hat der polnische Präsident das Gesetz vom 7. Juli 2022 zur Änderung des Strafgesetzbuches und einiger anderer Gesetze unterzeichnet. Die Novelle wurde trotz breiter Kritik aus der Wissenschaft (ein Appell an den Präsidenten der Republik Polen, ein Veto gegen das Gesetz einzulegen, wurde von 176 Strafrechtswissenschaftlern unterzeichnet) schließlich Realität. Das Hauptelement des Gesetzes ist eine drastische Verschärfung der Strafen für zahlreiche Straftaten, die in keinem Verhältnis zur Bedrohung durch diese Straftaten stehen. Die Änderungen betreffen auch die Bestimmungen der Strafprozessordnung, einschließlich der Bestimmungen über die Beschlagnahme von Vermögenswerten.

Die meisten Änderungen treten 3 Monate nach Veröffentlichung, d.h. am 14. März 2023, in Kraft.

Im Folgenden stellen wir einige der Änderungen vor, die aus Sicht von Unternehmen am wichtigsten sind.

Aktionäre und Gesellschafter als Antragsberechtigte für die Verfolgung des Delikts der Misswirtschaft – Art. 296 § 1a StGB

Eine wichtige Änderung stellt die Änderung von Art. 296 § 4a StGB dar, die dazu führen wird, dass ein Antrag auf Verfolgung des Vertrauensmissbrauchs (sog. Handeln zum Nachteil der Gesellschaft), bei dem zwar noch kein Schaden entstanden ist, aber ein Schaden unmittelbar droht, auch von einem Aktionär oder Gesellschafter gestellt werden kann. Der Grund dafür ist, dass es sich um ein Antragsdelikt handelt (außer in den Fällen, in denen der Fiskus der Geschädigte war), und dass die bevollmächtigten Personen einen Antrag stellen müssen, damit das Delikt erfolgreich verfolgt werden kann. Bislang konnte dies nur der Geschädigte tun, also de facto das Unternehmen selbst.

Solange der Vorstand des Unternehmens also nicht beschloss, einen Strafverfolgungsantrag zu stellen, waren die Einleitung eines diesbezügliches Verfahren nicht gerechtfertigt. Gleichzeitig war der Vorstand in der Regel nicht daran interessiert, einen solchen Antrag zu stellen, da dieser in der Regel sein eigenes Handeln betraf.

Erst Änderungen in der Eigentümerstruktur und dem Vorstand führten in der Regel dazu, dass solche Meldungen und Anträge gegen die früheren Organmitglieder gerichtet wurden. Unverändert bleibt die Möglichkeit für jedermann, grundsätzlich Anzeige zu erstatten, wenn dem Unternehmen tatsächlich ein Schaden entstanden ist.

  • Diese Änderung eröffnet den Minderheitsaktionären die Möglichkeit, gegen den Vorstand einer Gesellschaft vorzugehen, mit dem sie in Konflikt geraten sind und birgt für den Vorstand das Risiko der Initiierung und Führung eines solchen Verfahrens.
  • Der Antrag kann von jedem Aktionär gestellt werden, unabhängig von der Anzahl der gehaltenen Aktien oder Anteile
  • Für das Vorliegen einer Straftat nach Artikel 296 § 1a StGB ist nicht der tatsächliche Eintritt eines Schadens von mehr als 200.000 PLN erforderlich, sondern die bloße Tatsache, der unmittelbaren Gefahr des Schadens ausgesetzt zu sein.
  • Die Änderung gilt auch für Straftaten, die vor Inkrafttreten der Änderung begangen wurden, so dass Aktionäre oder Gesellschafter auch für Straftaten, die vor dem 14. März 2023 begangen wurden, ein Strafverfahren anstrengen können.

Schwere Strafen für Betrug und sogenanntes Handeln zum Schaden des Unternehmens

Die Novelle führt auch eine deutliche Verschärfung der Strafandrohung u.a. für den Straftatbestand des Betrugs (Art. 286 StGB) oder des Vertrauensmissbrauchs (Art. 296 StGB – so genanntes Handeln zum Schaden des Unternehmens) ein, d.h. für Straftaten mit Bezug zur unternehmerischen Tätigkeit.

Nach den neuen Vorschriften droht bei Betrug, Veruntreuung oder Vertrauensmissbrauch in Bezug auf Vermögensgegenstände mit einem Wert von mehr als:

  • dem 5-fachen des Betrages, der das Großvermögen bestimmt, d. h. 5.000.000 PLN, eine Freiheitsstrafe von drei bis 20 Jahren,
  • dem 10-fachen des Betrages, der das Großvermögen bestimmt, d.h. 10.000.000 PLN, eine Freiheitsstrafe zwischen 5 und 25 Jahren.

Vermögenssicherung im Laufe des Verfahrens vor Anklageerhebung

Infolge der Änderung von Artikel 291 § 2 der Strafprozessordnung kann der Beschluss über die Vermögenssicherung auch im Ermittlungsverfahren ergehen, d.h. vor dem Beschluss über die Darlegung der Vorwürfe in Bezug auf das Vermögen, welches:

  • der Beschlagnahme oder Rückgabe nach Art. 45a Abs. 1 oder 2 des StGB und Art. 43 Abs. 1 oder 2 oder Art. 43a des Steuerstrafgesetzbuches unterliegen würde,
  • der Beschlagnahme oder Rückgabe gemäß Art. 44 StGB unterliegen würde, wenn auf der Grundlage gesonderter Bestimmungen eine Aussetzung von Transaktionen oder eine Kontosperrung auf dieses Vermögen angewendet wurde
  • der Beschlagnahme eines Kraftfahrzeugs gemäß Art. 44b StGB unterliegen würde.

Gleichzeitig wurde diese Bestimmung in letzter Zeit zweimal geändert. Das erste Mal durch das Gesetz vom 17. Dezember 2021 zur Änderung einiger Gesetze im Zusammenhang mit der Einrichtung des Zentralbüros zur Bekämpfung der Cyberkriminalität, das im Hinblick auf die Änderung von Artikel 291 der Strafprozessordnung am 12. Januar 2022 in Kraft getreten ist.

Mit dieser Änderung wurde die Möglichkeit geschaffen, eine Entscheidung über das „Einfrieren“ von Vermögenswerten in den oben genannten Fällen „bereits nach der Einleitung des Strafverfahrens“, d.h. vor Anklageerhebung, zu erlassen. Die zweite Änderung erfolgte mit dem hier erörterten Gesetz, in dem der Zeitpunkt des Erlasses der Sicherstellungsentscheidung präzisiert und die Möglichkeit der Sicherstellung eines Kraftfahrzeugs im Zusammenhang mit dem neuen, im Strafgesetzbuch vorgesehenen Institut vorgesehen wurde.

Vor dem Inkrafttreten der oben genannten Änderung hing die Möglichkeit der Beschlagnahme von Vermögenswerten während des Strafverfahrens davon ab, ob ein Verdächtiger im verfahrensrechtlichen Sinne in der Sache vorhanden war.

Weitere wichtige Änderungen, die durch die Novelle des Strafgesetzbuches eingeführt wurden

  • Freiheitsstrafe bis zu 30 Jahren. Bisher betrug sie bis zu 15 Jahren, danach 25 Jahre und lebenslange Haft. Der Gesetzgeber hat beschlossen, das Strafmaß von 25 Jahren Freiheitsstrafe aufzuheben und die Obergrenze für die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren auf 30 Jahre zu erhöhen, so dass beispielsweise eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren oder 28 Jahren verhängt werden kann.
  • Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Bewährung: Bei schwersten Straftaten, für die eine lebenslange Freiheitsstrafe oder eine Freiheitsstrafe von mindestens 20 Jahren verhängt wird, kann das Gericht ein Bewährungsverbot verhängen. Diese Lösung wird weithin kritisiert und als unvereinbar mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bewertet.
  • Obligatorische Beschlagnahme des Kraftfahrzeugs: Im Falle des Fahrens unter Alkoholeinfluss erklärt das Gericht zwingend die Beschlagnahme des Kraftfahrzeugs oder seines Gegenwerts, es sei denn, der Alkoholgehalt im Körper des Täters lag unter 1,5 Promille im Blut oder 0,75 mg/dm3 in der Atemluft oder führte nicht zu einer solchen Konzentration. Das Gericht kann in einem durch besondere Umstände begründeten Ausnahmefall von der Beschlagnahme absehen.
  • Verschärfung der Strafen für zahlreiche Straftaten, u.a. Vertrauensmissbrauch (Art. 296  StGB) und Betrug. Nach den Änderungen wird das so genannte Handeln zum Schaden des Unternehmens, wenn der Schaden 5.000.000 PLN übersteigt, mit einer Freiheitsstrafe zwischen 3 und 20 Jahren bestraft. Übersteigt der Schaden 10.000.000 PLN, wird das Strafmaß erhöht und liegt zwischen 5 und 25 Jahren. Es handelt sich also um ein Verbrechen zum Schaden des Unternehmens.

Die Reform des HGGB im Hinblick auf die strafrechtliche Haftung

Die Novelle des HGGB, die am 13. Oktober 2022 in Kraft getreten ist, hat auch Änderungen im Bereich der strafrechtlichen Haftung mit sich gebracht. Die Änderungen betreffen vor allem neue Arten von Straftaten, die Ausweitung der Befugnisse des Aufsichtsrates, neuer Rechtsfiguren wie verbindliche Weisungen innerhalb einer Unternehmensgruppe und die Business Judgement Rule.

Neue Arten von Straftaten

Einige der neuen Befugnisse des Aufsichtsrates wurden zu ihrer wirksamen Umsetzung durch strafrechtliche Sanktionen geschützt. Dies ist der Fall bei Art. 5871 und Art. 5872 HGGB.

Im Falle von Artikel 5871 HGGB kann strafrechtlich haften, wer entgegen dem Verlangen des Aufsichtsrats Informationen, Unterlagen, Erklärungen und Berichte nicht vorlegt oder Daten verschweigt, die den Inhalt dieser Informationen, Unterlagen, Berichte oder Erklärungen wesentlich beeinflussen. Die Übermittlung dieser Unterlagen sollte unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 2 Wochen erfolgen, es sei denn, der Aufsichtsrat hat in der Aufforderung eine andere, längere Frist angegeben.

  • Ein Verstoß liegt auch dann vor, wenn die Unterlagen dem Aufsichtsrat nicht rechtzeitig oder nur selektiv und unvollständig übermittelt werden.
  • Die Straftat wird mit einer Geldstrafe von mindestens 20.000 PLN und höchstens 50.000 PLN oder mit einer Freiheitsbeschränkung geahndet.
  • Die Straftat ist auch bei einer unbeabsichtigten Handlung strafbar eine Geldstrafe von mindestens 6.000 PLN und höchstens 20.000 PLN.
  • Die Straftat nach Art. 5871 HGGB kann von Vorstandsmitgliedern, Bevollmächtigten und Personen begangen werden, die im Unternehmen auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags beschäftigt sind oder regelmäßig bestimmte Tätigkeiten für das Unternehmen auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags, eines Mandatsvertrags oder eines anderen Vertrags ähnlicher Art ausführen.

Artikel 5872 HGGB wiederum gewährleistet die ordnungsgemäße Ausübung der Befugnisse des Aufsichtsrats in Bezug auf den Einsatz eines Beraters. Die Straftat besteht darin, dass der Vorstand entgegen seinen Verpflichtungen aus dem HGGB dem Berater des Aufsichtsrats keine Einsicht in Unterlagen gewährt, ihm die angeforderten Informationen nicht zur Verfügung stellt, sie im Widerspruch zu den Tatsachen mitteilt oder Daten verschweigt, die den Inhalt dieser Informationen oder Unterlagen wesentlich beeinflussen.

Die Straftat wird mit einer Geldstrafe von mindestens 20.000 PLN und höchstens 50.000 PLN oder mit einer Freiheitsbeschränkung geahndet. Im Falle einer unvorsätzlichen Handlung – eine Geldstrafe von mindestens 6.000 PLN und höchstens 20.000 PLN.

Haftung für die Ausführung einer verbindlichen Weisung in Unternehmensgruppen

Die Novellierung des HGGB im Rahmen des eingeführten Honldingrechts sieht auch die Möglichkeit vor, Tochtergesellschaften verbindliche Weisungen zu erteilen. Hier entsteht die Frage der Haftung für ihre Ausübung, einschließlich der strafrechtlichen Haftung.

Die Vorschriften über verbindliche Weisungen sehen auch Gründe für die Ablehnung ihrer Ausführung vor. Die Ausführung einer Weisung sollte verweigert werden, wenn:

  • die Ausführung einer verbindlichen Weisung zur Zahlungsunfähigkeit oder drohenden Zahlungsunfähigkeit des Tochterunternehmens führt
  • im Falle einer Tochtergesellschaft, die keine Einpersonengesellschaft ist, wenn die begründete Befürchtung besteht, dass die Weisung den Interessen dieser Gesellschaft zuwiderläuft und ihr einen Schaden zufügt, der von der Muttergesellschaft oder einer anderen Tochtergesellschaft nicht innerhalb von zwei Jahren behoben werden kann
  • sich die Grundlage für die Ablehnung aus dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung des Unternehmens ergibt

Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft ist daher verpflichtet, das Vorliegen von Gründen für die Verweigerung der Ausführung einer verbindlichen Weisung zu prüfen.

Ein Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrats, des Revisionskommission und der Liquidator einer abhängigen Gesellschaft haftet nicht für Schäden, die durch die Ausführung einer verbindlichen Anweisung verursacht wurden – Art. 215 § 1 HGGB.

Es gibt zwar keinen ausdrücklichen Ausschluss der strafrechtlichen Haftung für Schäden, die der Vorstand einer Tochtergesellschaft im Zusammenhang mit der Ausführung einer verbindlichen Weisung verursacht hat, doch kann ein Mitglied des Vorstands einer Tochtergesellschaft nur dann strafrechtlich für Schäden haftbar gemacht werden, die der Gesellschaft entstanden sind, wenn ein Grund für die Ablehnung der Ausführung einer verbindlichen Weisung vorlag, den der Vorstand kannte oder zumindest hätte kennen müssen.

Business Judgement Rule

Gemäß der in das HGGB aufgenommenen Regel der geschäftlichen Beurteilung verstoßen Mitglieder von Vorständen, Aufsichtsräten, Prüfungsausschüssen und Liquidatoren nicht gegen ihre Sorgfaltspflicht, wenn sie der Gesellschaft gegenüber loyal handeln, innerhalb der Grenzen des angemessenen geschäftlichen Risikos sowie auf Grundlage von Informationen, Analysen und Stellungnahmen, die unter den gegebenen Umständen bei einer sorgfältigen Bewertung berücksichtigt werden sollten.

Die Business Judgement Rule wurde für die einfache Aktiengesellschaft (Art. 300125 § 2 HGGB), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Art. 293 § 3 HGGB) sowie die Aktiengesellschaft (Art. 483 § 3 HGGB) eingeführt.

Die Business Judgement Rule ist auch unter dem Gesichtspunkt der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Organmitgliedern vor dem Hintergrund des § 296 StGB, d.h. des sog. Handelns zum Schaden der Gesellschaft oder des Vertrauensmissbrauchs von Bedeutung. Diese Straftat besteht darin, dass die Mitglieder eines Organs ihre Pflichten nicht erfüllen oder ihre Befugnisse missbrauchen, so dass es zu einem Schaden kommt.

Bislang wurde auch auf der Grundlage von Artikel 296 StGB geprüft, ob ein Verhalten, das einen Schaden von mehr als 200.000 PLN verursacht hat, im Rahmen eines gerechtfertigten wirtschaftlichen Risikos erfolgte. Nach der Änderung des HGGB wird sich diese Prüfung auf die Business Judgement Rule beziehen. Das bedeutet, dass sich die Prüfung, ob innerhalb der Grenzen des wirtschaftlichen Risikos gehandelt wurde, beispielsweise auf Informationen, Meinungen und Analysen bezieht, die dem Vorstand zum Zeitpunkt einer Geschäftsentscheidung vorlagen. Das bedeutet auch, dass ihr Fehlen dazu führen kann, dass eine bestimmte Handlung als wirtschaftlich unangemessen angesehen wird.

Der neue Grundsatz wird dazu führen, dass bei schwierigen und riskanten Entscheidungen die endgültige Entscheidung mit Analysen und Stellungnahmen untermauert wird (sog. defense file).

Obligatorisches Compliance System?

Etwas umstritten ist die Änderung von Artikel 382 § 31 Abs. 2 HGGB, mit der die Pflicht eingeführt wurde, in den jährlichen Aufsichtsratsbericht eine Bewertung der Lage des Unternehmens aufzunehmen, wobei die Angemessenheit und Wirksamkeit der im Unternehmen vorgesehenen Systeme berücksichtigt werden:

  • interne Kontrolle
  • Risikomanagement
  • Sicherstellung der Einhaltung von Normen oder anwendbaren Praktiken (Compliance) und
  • internes Audit

Bisher wurde das Compliance-System vor allem in den „Good Practices of Companies Listed on the WSE 2021“ erwähnt, die sich auf Aktiengesellschaften beziehen, deren Aktien zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, und die nicht verbindlich waren. Derzeit obliegt es dem Aufsichtsrat jeder Aktiengesellschaft, das Unternehmen auf die Angemessenheit der bestehenden Compliance-Systeme zu prüfen.

Unseres Erachtens ist nach dieser Regelung jede Aktiengesellschaft verpflichtet, ein Compliance-System einzurichten. Diese Verpflichtung beruht auf der Tatsache, dass es ab dem 13. Oktober 2022 nicht mehr Aufgabe des Aufsichtsrats ist, zu beurteilen, ob ein solches System überhaupt benötigt wird, sondern wie es im Unternehmen funktioniert.