M&A-Transaktionen und Vergabeverfahren – neue Pflichten bei drittstaatlichen Subventionen

Seit dem 12. Oktober 2023 gelten neue Pflichten im Zusammenhang mit der Anmeldung von Transaktionen (Zusammenschlüssen) sowie finanzieller Unterstützung aus Nicht-EU-Ländern bei der Europäischen Kommission. Diese ergeben sich aus der Verordnung (EU) 2022/2560 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen („Verordnung“), die seit dem 12. Januar 2023 in Kraft ist. Die Bestimmungen der Verordnung sind unmittelbar anwendbar. Dies bedeutet, dass der polnische Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, entsprechende nationale Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Verordnung zu erlassen.

Welches Ziel haben die neuen Vorschriften?

Ziel der Verordnung ist es, Verzerrungen auf dem EU-Markt zu bekämpfen, die durch ausländische Subventionen (d. h. durch die Behörden von Nicht-EU-Ländern) verursacht werden, und faire Bedingungen für die Geschäftstätigkeit auf dem EU-Markt zu gewährleisten.

Wen betrifft die Verordnung über drittstaatliche Subventionen?

Die Verordnung gilt für alle wirtschaftlichen Tätigkeiten privater und öffentlicher Unternehmen auf dem Unionsmarkt, die ausländische Subventionen erhalten (die polnische Fassung der Verordnung verwendet anders als die deutsche nicht den Begriff „drittstaatliche“, sondern „ausländische“ Subventionen).

Beispiele hierfür sind Unternehmen, die Subventionen aus Drittländern erhalten, die zur Finanzierung von Tätigkeiten auf dem Unionsmarkt in einem beliebigen Wirtschaftssektor verwendet werden, einschließlich der Beteiligung an M&A-Transaktionen (Zusammenschlüsse) zum Erwerb strategischer Vermögenswerte (z. B. kritische Infrastrukturen oder innovative Technologien) oder an öffentlichen Aufträgen.

Was ist eine „ausländische Subvention“?

Eine „ausländische Subvention“ ist definiert als finanzielle Zuwendung, die direkt oder indirekt von einem Drittstaat (außerhalb der EU) stammt, die einen Vorteil verschafft und die auf ein oder mehrere Unternehmen oder Wirtschaftszweige beschränkt ist. Sie kann beispielsweise in Form einer Eigenkapitalzuführung, eines Darlehens, einer Darlehensbürgschaft, eines Abgabenverzichts (z. B. Steuerbefreiung), eines Debt Equity Swaps, einer Umschuldung oder der Lieferung von Waren oder Dienstleistungen erfolgen.

Gleichzeitig wird eine finanzielle Zuwendung von einem Drittland geleistet, wenn sie von einer staatlichen Einrichtung auf zentraler Ebene, von öffentlichen Stellen auf anderen Ebenen oder von einer ausländischen öffentlichen oder privaten Einrichtung, deren Tätigkeit einem Drittland vorgeschrieben werden kann, geleistet wird.

Im Zusammenhang mit der öffentlichen Auftragsvergabe handelt es sich bei einer ausländischen Subvention, die den Wettbewerb verzerren, um einen finanziellen Beitrag, der es einem Wirtschaftsteilnehmer ermöglicht, ein außergewöhnlich günstiges Angebot abzugeben.

Was bedeuten die neuen Regelungen für M&A-Transaktionen?

Anmeldung der Transaktion bei der EU-Kommission

Laut Verordnung müssen die Beteiligten ihre Absicht anmelden, einen Zusammenschluss zu vollziehen und zu vollenden. Nach der Verordnung ist ein „Zusammenschluss“ als dauerhafte Änderung der Kontrolle zu verstehen, die auf die folgenden Arten stattfindet:

  • durch Fusion von zwei oder mehreren bisher unabhängigen Unternehmen oder Unternehmensteilen
  • durch Übernahme der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle über die Gesamtheit (oder einen Teil) eines anderen Unternehmens durch mindestens eine Person, die bereits mindestens ein Unternehmen kontrolliert
  • durch Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit wahrnimmt

Der Zusammenschluss ist bei der Europäischen Kommission anzumelden, wenn

  • mindestens eines der fusionierenden Unternehmen, das erworbene Unternehmen oder das Gemeinschaftsunternehmen in der Union niedergelassen ist und in der Union einen Gesamtumsatz von mindestens 500 Mio. EUR erzielt und
  • entsprechend der/die Erwerber und das erworbene Unternehmen, die fusionierenden Unternehmen oder die Unternehmen, die ein Gemeinschaftsunternehmen bilden und das Gemeinschaftsunternehmen in den drei Jahren vor Abschluss der Vereinbarung, der Ankündigung des öffentlichen Angebots oder dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung zusammen finanzielle Zuwendungen von mehr als 50 Mio. EUR aus Drittländern erhalten haben.

Im Falle einer Fusion oder des Erwerbs der gemeinsamen Kontrolle ist der Zusammenschluss von den an der Fusion oder dem Erwerb der gemeinsamen Kontrolle beteiligten Unternehmen gemeinsam anzumelden. In allen anderen Fällen ist die Anmeldung von dem Unternehmen vorzunehmen, das die Kontrolle über ein oder mehrere Unternehmen ganz oder teilweise erlangt.

Aufforderung zur Anmeldung des Zusammenschlusses

Hat die Europäische Kommissionden den Verdacht, dass das betreffende Unternehmen in den drei Jahren vor dem Zusammenschluss eine ausländische Subvention erhalten haben könnte, so kann sie das Unternehmen von sich aus auffordern, den Zusammenschluss anzumelden, auch wenn er nicht nach der Verordnung anmeldepflichtig war.

Verfahren vor der EU-Kommission

Ein Verfahren vor der Europäischen Kommission kann zu einer der folgenden Entscheidungen führen:

  • Auferlegung von Pflichten
  • Zustimmung zum Vollzug des Zusammenschlusses
  • Verbot des Vollzugs des Zusammenschlusses

Der Zusammenschluss kann erst vollzogen werden, wenn die Europäische Kommission ihre Zustimmung erteilt hat.

Zusammenschluss ohne Zustimmung

Ein Zusammenschluss ohne Zustimmung der Kommission kann dazu führen, dass die Rückgängigmachung des Zusammenschlusses (z. B. Auflösung der Fusion oder Veräußerung der erworbenen Anteile/Vermögenswerte) oder die Vornahme anderer Maßnahmen zur Rückgängigmachung des vollzogenen Zusammenschlusses verlangt wird.

Darüber hinaus kann die Kommission Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des Gesamtumsatzes des/der Unternehmen im Jahr vor dem Zusammenschluss verhängen, wenn der Zusammenschluss nicht angemeldet, trotz des Verbots vollzogen oder umgangen wird (einschließlich des Versuchs der Umgehung).

Was bedeutet die Verordnung für öffentliche Aufträge?

Die Bestimmungen der Verordnung gelten sowohl für Auftragnehmer, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewerben, als auch für öffentliche Auftraggeber. Die Verpflichtung zur Meldung drittstaatlicher Zuwendungen gilt auch für Hauptsubunternehmer und Hauptlieferanten, die zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bekannt sind wie z. B. ein Dritte, der dem Auftragnehmer Mittel zur Verfügung stellen.

Dementsprechend sind Auftragnehmer/Auftraggeber verpflichtet, drittstaatliche Subventionen zu melden, wenn der Auftragnehmer am öffentlichen Vergabeverfahren teilnimmt.

Welche Vergabefahren sind betroffen?

Die Verpflichtung zur Meldung drittstaatlicher Subventionen im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren ist am 12. Oktober 2023 in Kraft getreten, gilt aber bereits für öffentliche Vergabeverfahren, die nach dem 12. Juli 2023 eingeleitet wurden und bei denen die Frist für die Einreichung der Angebote am oder nach dem 12. Oktober 2023 endet.

Meldung drittstaatlicher Subventionen

Die Verpflichtung, eine erhaltene drittstaatliche Subvention zu melden, besteht dann, wenn kumulativ

  • der geschätzte Wert des öffentlichen Auftrags oder des Rahmenvertrags ohne MwSt. mindestens 250 Mio. EUR beträgt und
  • der Auftragnehmer, einschließlich seiner Tochtergesellschaften und gegebenenfalls seiner wichtigsten Unterauftragnehmer und Zulieferer, innerhalb der letzten drei Jahre vor der Meldung finanzielle Zuwendungen von insgesamt mindestens 4 Mio. EUR pro Drittland erhalten hat.

Prüfung drittstaatlicher Subventionen

Ein Auftragnehmer, der sich um einen öffentlichen Auftrag bewirbt (mit dem zuvor angegebenen geschätzten Wert und dem Wert der Zuwendung), ist verpflichtet, den öffentlichen Auftraggeber über alle ausländischen Subventionen zu informieren, die er in den letzten drei Jahren vor der Mitteilung erhalten hat. Auf der Grundlage der von den Auftragnehmern bereitgestellten Informationen leitet der öffentliche Auftraggeber diese Informationen an die Europäische Kommission weiter.

Öffentliche Auftraggeber sind ihrerseits verpflichtet, in der Bekanntmachung und in den Vertragsbedingungen darauf hinzuweisen, dass die Auftragnehmer verpflichtet sind, alle drittstaatlichen Subventionen zu melden.

Sobald der öffentliche Auftraggeber vom Auftragnehmer Informationen über die erhaltenen drittstaatlichen Subventionen erhalten hat, leitet er diese Informationen unverzüglich an die Europäische Kommission weiter. Entsteht beim öffentlichen Auftraggeber bei der Prüfung und Wertung der Angebote der Verdacht, dass der Auftragnehmer drittstaatlichen Subventionen erhalten hat, so teilt er diesen Verdacht auch der Europäischen Kommission mit.

Bei einstufigen Verfahren (z.B. offene Ausschreibung) ist die entsprechende Erklärung über die gewährten Subventionen mit dem Angebot einzureichen, bei mehrstufigen Verfahren zweimal.

Rechte der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission ist die einzige Behörde, die befugt ist zu entscheiden, ob drittstaatliche Subventionen, die einem Auftragnehmer gewährt werden, den Wettbewerb in einem Ausschreibungsverfahren verzerren und den Binnenmarkt beeinträchtigen.

Bei der Prüfung der Auswirkungen der erhaltenen Subventionen kann die Europäische Kommission folgende Entscheidungen treffen (wenn sie feststellt, dass der Auftragnehmer von einer Subvention profitiert, die den Binnenmarkt verzerrt):

  • Sie kann dem Auftragnehmer angemessene Verpflichtungen auferlegen (wenn dieser eine Verpflichtungszusage unterbreitet, die die Verzerrung beseitigt),
  • die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an den betreffenden Auftragnehmer untersagen oder
  • keine Einwände erheben (wenn die Europäische Kommission feststellt, dass die Subvention des betreffenden Auftragnehmers keine Verzerrung des Binnenmarktes verursacht).

Gleichzeitig kann die Europäische Kommission Geldbußen und Zwangsgelder gegen Auftragnehmer verhängen, die es versäumt haben, ausländische Hilfen zu melden, oder die Meldepflicht umgangen haben (oder dies versucht haben).

Zeitlicher Anwendungsbereich der neuen Regelungen

Für Zusammenschlüsse und öffentliche Aufträge gilt die Verordnung für drittstaatliche Subventionen, die innerhalb von drei Jahren vor dem 12. Juli 2023 gewährt wurden.

Gleichzeitig gilt die Verordnung nicht für:

  • Zusammenschlüsse, bei denen vor dem 12. Juli 2023 eine Vereinbarung geschlossen, ein öffentliches Angebot angekündigt oder eine Mehrheitsbeteiligung erworben wurde
  • öffentliche Vergabeverfahren, die vor dem 12. Juli 2023 eingeleitet wurden.

Rückschlüsse für die M&A-Praxis

Im Rahmen der Transaktionsplanung sollte im Einzelnen geprüft werden, ob die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen drittstaatliche Subventionen zu Zeiten und in einer Höhe erhalten haben, die den Anforderungen der Verordnung entsprechen.

Der Zeitplan und die Unterlagen für die Transaktion sollten der Notwendigkeit einer Anmeldung des Zusammenschlusses sowie der Möglichkeit Rechnung tragen, dass die Europäische Kommission das Unternehmen zu einer vorherigen Anmeldung auffordern könnte.

Rückschlüsse für die Vergaberechtspraxis

Vor der Teilnahme an einem Vergabeverfahren muss die Herkunft der erhaltenen drittstaatlichen Mittel sorgfältig auf ihre Einstufung gemäß der Verordnung überprüft werden.

Die Verordnung sieht strenge Ausgleichsmaßnahmen und Sanktionen für den Fall vor, dass die in der Verordnung festgelegten Anforderungen nicht erfüllt werden. Außerdem geht aus dem derzeitigen Katalog der Gründe für den obligatorischen/optionalen Ausschluss des Auftragnehmers von der Ausschreibung nicht klar hervor, aufgrund welcher Bestimmung der Auftraggeber den Auftragnehmer von der Ausschreibung ausschließen und folglich sein Angebot ablehnen kann. Aus den derzeitigen Regelungen geht nicht hervor, auf welche Rechtsgrundlage der Auftraggeber zurückgreifen soll, wenn die Europäische Kommission der Auffassung ist, dass ein Auftragnehmer, dessen finanzielle Zuwendungen gegen die Bestimmungen der Verordnung verstoßen (d.h. den Binnenmarkt verzerren), an einer Ausschreibung teilnimmt. Der erste derartige Fall in Polen wird wahrscheinlich von den Marktteilnehmern analysiert werden und eine neue Praxis für die öffentlichen Auftraggeber einleiten.