Aktuelles aus dem Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrecht
Der folgende Beitrag bietet eine Übersicht der wichtigsten Urteile und Entscheidungen der polnischen und europäischen Kartellbehörden (Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz, poln. Urząd Ochrony Konkurencji i Konsumentów, kurz UOKiK, Gericht für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz und Europäische Kommission), die das Funktionieren vieler Branchen maßgeblich beeinflusst haben oder beeinflussen werden.
Wettbewerbsrecht
Der Fall Mondelēz – Einschränkung des passiven Verkaufs
Die Europäische Kommission (EK) hat Mondelēz International eine Geldstrafe in Höhe von 337,5 Mio. EUR auferlegt, weil das Unternehmen den Verkauf von Schokolade, Keksen und Kaffee eingeschränkt hatte.
Mondelēz sollte Verträge mit Vertriebshändlern abschließen, die in den Gebieten, in denen sie Produkte verkaufen durften, und bei den Großhandelskunden, an die sie verkaufen durften, eingeschränkt waren. Mondelēz verlangte angeblich u. a. höhere Preise für Exporte und hinderte die Alleinvertriebshändler daran, auf Anfragen zu Verkäufen außerhalb ihres Gebiets zu reagieren. Damit hat Mondelēz gegen das Verbot der Beschränkung des passiven Verkaufs verstoßen.
Die EG stellte außerdem fest, dass Mondelēz seine beherrschende Stellung missbraucht hat, indem es sich weigerte, Großhändler in Deutschland zu beliefern, um den Weiterverkauf in Österreich, Belgien, Bulgarien und Rumänien zu verhindern, und indem es die Belieferung von Vertriebshändlern in den Niederlanden einstellte, um Einfuhren nach Belgien zu blockieren. Nach Ansicht der Europäischen Kommission zielten diese Praktiken darauf ab, den Markt künstlich aufzuteilen und höhere Produktpreise aufrechtzuerhalten. Einzelhändler konnten keine Produkte aus EU-Ländern zu niedrigeren Preisen beziehen und sie in Ländern mit höheren Preisen weiterverkaufen.
Strafe wegen Behinderung einer Durchsuchung
Gegen International Flavors & Fragrances Inc. (ein US-amerikanisches Unternehmen, das in der Entwicklung, Herstellung und Lieferung von Aromen und Duftstoffen für die Lebensmittel-, Getränke-, Körperpflege- und Haushaltsindustrie tätig ist) und International Flavors & Fragrances IFF France SASe wurde eine Geldstrafe in Höhe von 15,9 Millionen Euro wegen Behinderung von Durchsuchungen verhängt.
Ein Mitarbeiter des Unternehmens wurde beim Löschen von Nachrichten auf WhatsApp erwischt, die er mit einem Konkurrenten des Unternehmens ausgetauscht hatte. Es ist zu betonen, dass dies geschah, nachdem die Kommission ihre Maßnahmen eingeleitet hatte. Die Strafe wurde um 50 % reduziert, da das Unternehmen aktiv mit der Kommission bei der Wiederherstellung der gelöschten Daten zusammenarbeitete.
Ähnliche Fälle gab es kürzlich in Polen.
- Der Präsident des Amtes für Wettbewerb und Verbraucherschutz (UOKiK) verhängte Geldbußen in Höhe von 1 Mio. PLN bzw. 10 Mio. PLN gegen Jura Polen und Euro-net wegen des Löschens von WhatsApp-Daten.
- Gegen Abexil Bąbałasp.j. wurde ein Bußgeld in Höhe von 150.000 PLN verhängt, weil das Unternehmen die Durchsuchenden in die Irre geführt hatte, indem es ein Gerät als Geschäftstelefon ausgab, das in Wirklichkeit nicht für berufliche Zwecke genutzt wurde und weil es die Ausgabe der richtigen Geräte hinauszögerte. Gegen einen Gesellschafter des durchsuchten Unternehmens wurde hierfür eine Geldstrafe von 100.000 PLN verhängt.
Die vorgenannten Fälle zeigen, dass Händler nicht damit rechnen sollten, dass die Vernichtung von Beweismaterial mehr einbringt als die Weitergabe von Beweismaterial, in der Hoffnung, der Haftung für Kartellrechtsverstöße zu entgehen.
Vertikale Preisgestaltung beim Wiederverkauf in Polen – Fortsetzung
Die jüngsten Maßnahmen des Präsidenten des Amtes für Wettbewerb und Verbraucherschutz (UOKIK) zeigen, dass die Bekämpfung verbotener vertikaler Vereinbarungen, insbesondere solcher mit Preischarakter, weiterhin Priorität hat. Die Behörde kündigte Durchsuchungen in zwei verschiedenen Fällen an.
Garmin (Verkäufer von Smartwatches und Navigationsgeräten) und Xiaomi (Verkäufer von Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräten und intelligenten Produkten) stehen im Verdacht, verbotene Vereinbarungen mit ihren Händlern getroffen zu haben. Aus den Mitteilungen geht hervor, dass die Verbraucher aufgrund der Absprachen möglicherweise gezwungen wurden, Produkte zu überhöhten Preisen zu kaufen. Der Präsident der UOKIK wertet derzeit die gesammelten Beweise aus.
Interessant ist, dass der Inhalt der Bekanntmachung von Garmin darauf schließen lässt, dass der Präsident der UOKiK vor allem durch die Preiskonvergenz in einer Reihe von Online-Shops auf die Spur des Falles gebracht wurde (was die Grundlage für die Erteilung der Durchsuchungsgenehmigung durch das Gericht für Wettbewerb und Verbraucherschutz gewesen sein muss). Aus den uns vorliegenden Informationen geht hervor, dass die Grundlage für die Erteilung der Durchsuchungsgenehmigung durch das Gericht immer häufiger Tabellen sind, in denen die Wiederverkaufspreise von Produkten einzelner Händler verglichen werden.
Der Präsident des UOKiK hat Anzeige gegen Jura Polen und die Eigentümer der Geschäfte RTV Euro AGD, Media Markt und Media Expert erstattet. Auch gegen eine Einzelperson wurden Anschuldigungen erhoben, wobei in der Mitteilung nicht angegeben wird, um wen es sich handelt. Jura Polen und seine Vertragshändler haben möglicherweise Mindestpreise für den Weiterverkauf von Kaffeemaschinen und Zubehör vereinbart. Jura Polen soll den Händlern unter anderem damit gedroht haben, bei Nichteinhaltung der Vereinbarungen die Lieferungen zurückzuhalten. Den Unternehmern drohen Geldstrafen von bis zu 10 Prozent des Umsatzes und der geschäftsführenden Person von bis zu 2 Millionen PLN.
Die Gaming-Branche
Hoffnung, dass der Präsident des UOKiK andere Vereinbarungen als nur die vertikale Preisgestaltung prüfen wird, bietet die Nachricht von einer Untersuchung in der Zentrale eines der Unternehmen der Sony-Gruppe sowie bei zwei Videospielentwicklern und -verlagen in Polen.
Die Behörde will das Funktionieren des Glücksspielmarktes in Polen überprüfen. Laut Pressemitteilung wird der Umfang der Inspektion sehr weit sein, d.h. sowohl unter dem Gesichtspunkt des Abschlusses verbotener Vereinbarungen als auch des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung.
Die Behörde äußerte die Befürchtung, dass diese Praktiken zum Ausschluss konkurrierender Plattformen, zur fortgeschrittenen Ausbeutung von Spieleentwicklern und -verlegern und zu höheren Preisen für die Spieler führen könnten.
Dazu gehören Beschränkungen des Verkaufs von Spielen und zusätzlichen Inhalten auf konkurrierenden Plattformen oder in Online-Shops, Eingriffe in die Preispolitik von Spieleentwicklern und -verlagen oder die Beschränkung des Marktzugangs für konkurrierende Plattformen und andere Anbieter digitaler Dienste.
Das Vorgehen des Präsidenten der UOKiK steht im Einklang mit den jüngsten Trends im Kartellrecht, die dem digitalen Sektor im weitesten Sinne zunehmend Aufmerksamkeit schenken.
So hat die Europäische Kommission vor kurzem ihre Leitlinien zur Definition des relevanten Marktes aktualisiert, um den Besonderheiten des digitalen Marktes Rechnung zu tragen.
Verbraucherschutz
Omnibus-Richtlinie – nicht nur der niedrigste Preis
Seit dem 1. Januar 2023 ist in Polen die sogenannte Omnibus-Richtlinie in Kraft. Sie ist vor allem für die Verpflichtung bekannt, den niedrigsten Preis 30 Tage vor der Ankündigung der Aktion sichtbar zu machen.
Allerdings hat die Richtlinie Unternehmern neue Informationspflichten auferlegt, insbesondere betrifft dies Online-Handelsplattformen. Betreiber, die den Abschluss von Verträgen zwischen Verbrauchern und Bietern ermöglichen, müssen unter anderem darüber informieren, ob der Dritte, der auf der Online-Handelsplattform Waren oder Dienstleistungen anbietet, Gewerbetreibender ist. Ergänzt wird dies durch die Notwendigkeit, Informationen über die Pflichtenverteilung im Rahmen des Vertrages, den der Verbraucher auf der Online-Handelsplattform abschließt.
Nach Ansicht des Präsidenten des Amtes für Wettbewerb und Verbraucherschutz wurden diese Verpflichtungen von Travelist sp. z o.o., dem Betreiber der Travelist-Website, über die Verbraucher Urlaubsangebote durchsuchen und auswählen können, mangelhaft erfüllt. Nach Ansicht des Präsidenten des UOKiK wurden die Informationen in einem sehr kurzen Format bereitgestellt, das in nicht intuitiven Registerkarten der Website versteckt war (es war notwendig, mehrmals durch die Schnittstelle zu scrollen/zu klicken). Insbesondere gab es keine direkten Informationen darüber, ob es sich bei dem Unternehmen um einen Gewerbetreibenden handelte. Dem Untenehmen wurde eine Verpflichtung zur Änderung der Praxis auferlegt, auf eine Geldbuße wurde verzichtet.
Amt für Wettberwerbs- und Verbraucherschutz kontra dark patterns
Die Behörde ist weiterhin sehr aktiv, wenn es um die Bekämpfung von sog. Dark Patterns geht. Dabei handelt es sich um manipulative Praktiken von Händlern, die die Unaufmerksamkeit oder Anfälligkeit der Verbraucher im Internet ausnutzen.
Der Präsident des UOKiK hat Anklage gegen BOLD LLC erhoben, den Betreiber von interviewme.pl, einem Dienst, über den ein Lebenslauf erstellt werden kann. Das Portal warb in erster Linie mit kostenlosen Optionen für die Nutzung des Dienstes. In der Praxis sollten diese stark eingeschränkt werden. Wenn ein Dokument zum Herunterladen bereitstand, stellte sich heraus, dass man für den Download und die Möglichkeit, es auszudrucken, bezahlen musste. In kaum sichtbarer, kleiner und heller Schrift auf dunklem Hintergrund sollte darauf hingewiesen werden, dass sich das Abonnement automatisch verlängern würde. Für die Verbraucher war nicht klar, wie diese Information darzustellen war, insbesondere aufgrund der Unleserlichkeit der Information und der Tatsache, dass sie sehr spät gegeben wurde.
Irreführende Rabatte – Biedronka erneut im Visier des Präsidenten des UOKiK
Jeronimo Martins, der eine bekannte Einzelhandelskette namens Biedronka betreibt, führte eine Werbeaktion mit dem Titel „Magie der Rabatte – Spielzeug und Bücher – Gutschein vom 01.12.2022 bis 03.12.2022“ durch. Nach Ansicht des Präsidenten des Amtes für Wettberbs- und Verbraucherschutz hat der Unternehmer bei der Information über die Aktion in irreführender Weise gehandelt. Wenn Inhaber der Moja-Biedronka-App oder -Karte drei Produkte aus der Kategorie Bücher und/oder Spielzeug kauften, sollten sie die Hälfte des für diese Produkte ausgegebenen Betrags in Form eines auf den Kassenbon gedruckten Gutscheins erhalten. Die Materialien, die die Öffentlichkeit über die Aktion informierten, trugen ein Sternchen und wiesen in kleinerer Schrift auf die Sortimentsbeschränkungen hin. Der Gutschein konnte nur für ausgewählte Industrieartikel oder Textilien verwendet werden. Die Information über den Ausschluss von Produktkategorien von der Aktion erfolgte nach dem Kauf, wenn der Gutscheinbeleg ausgedruckt wurde. Detaillierte Informationen waren nur auf der Website der Einzelhandelskette verfügbar, auch wenn die Verbraucher in einem stationären Geschäft einkauften. Der Präsident des Amtes für Wettbewerb und Verbraucherschutz verpflichtete das Unternehmen, Kunden, die den Gutschein nicht eingelöst haben, einen finanziellen Beitrag von 150 PLN zu gewähren.
Öffentliche Ausgleichszahlungen – ein wichtiges Urteil des Obersten Gerichtshofs
Das Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz, das dafür bekannt ist, hohe Geldstrafen zu verhängen, kann auch andere Maßnahmen anwenden, um die Folgen von Verstößen gegen die Verbraucherrechte zu beseitigen. Der Katalog ist offen, was im Falle der Anwendung einer dem Gesetz unbekannten Maßnahme, wie der öffentlichen Entschädigung, Zweifel aufkommen lässt. Sie stellt eine Form der Entschädigung des Verbrauchers für die Verletzung seiner Rechte dar, z. B. die Erstattung einer rechtswidrig oder vertraglich auferlegten Gebühr.
In seinem Urteil vom 12. Juni 2024, Az. II NSKP 43/23, stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass der Katalog der Maßnahmen, die das Amt für Wettbewerb und Verbraucherschutz zur Beseitigung der Folgen einer Verletzung der Verbraucherrechte einsetzen kann, offen ist. Der Oberste Gerichtshof widersprach auch der u.a. von der Beschwerdeführerin (iCredit sp. z o.o.) vertretenen Auffassung, dass der Präsident des UOKiK durch die Anwendung dieser Maßnahme „zivilrechtliche Beziehungen zwischen Verbrauchern und Unternehmern schafft“. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass eine solche Entschädigung auf ein bestimmtes Ereignis und einen bestimmten Rechtsverstoß beschränkt ist, um den Sachverhalt in Einklang mit dem Gesetz zu bringen. Er schloss sich daher im Streit um die Zulässigkeit der öffentlichen Entschädigung in Polen der Behörde an.
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