Vertragsstrafen bei vergaberechtlichen Infrastrukturinvestitionen – Bericht / Teil I

Einleitung

Seit vielen Jahren beobachten wir die wachsende Bedeutung von Vertragsstrafen, insbesondere im Zusammenhang mit vergaberechtlichen Verträgen. Einerseits ist dies verbunden mit dem ständig wachsenden Katalog vorbehaltener und insbesondere durch vergaberechtliche Vorschriften direkt vorgeschriebene Vertragsstrafen, sowie andererseits mit dem wachsenden Rechtsbewusstsein von Auftraggebern, die immer häufiger von der Möglichkeit Gebrauch machen, Auftragnehmern Vertragsstrafen aufzuerlegen.

Die derzeitig durch Auftraggeber angewendete Vertragsstrafen-Praxis ist für den gesamten Auftragnehmer-Markt und insbesondere Investitionen im Bereich Industrie, Bahn, Straßenverkehr, Energie und Gas von großer Bedeutung. Auftragnehmer von Bauverträgen müssen sich in den letzten Jahren enormen Schwierigkeiten unter anderem im Zusammenhang mit fehlerhaften Ausschreibungsunterlagen, dynamischen Veränderungen der wirtschaftlichen Bedingungen wie auch der mangelhaften Erfüllung von Verträgen durch Kontrahenten stellen. All diese Faktoren führen in der Praxis oft zur Anwendung von Vertragsstrafen durch Auftraggeber.

In diesem Zusammenhang ist der vorliegende Bericht entstanden, dessen Ziel vor allem sein sollte, aufgrund von Umfrageergebnissen die wesentlichen Probleme im Zusammenhang mit Vertragsstrafen zu identifizieren, mit denen Auftragnehmer zu kämpfen haben. Außerdem haben es sich die Autoren zum Ziel gesetzt, durch die Schlussfolgerungen des Berichts eine weitere Diskussion zum Thema Vertragsstrafen in Vergabeverfahren und eventuelle Gesetzesänderungen anzuregen, falls die Ergebnisse solche Postulate begründen.

In unserem Bericht haben wir einen Querschnitt der praktischen Aspekte der Anwendung und Geltendmachung von Vertragsstrafen von öffentlichen Auftraggebern gegenüber Auftragnehmern analysiert. In ausgewählten Bereichen enthält der Bericht auch – hauptsächlich zu Vergleichszwecken – Informationen zu analogen Themen im Hinblick auf Verträge mit Privatinvestoren.

Der durch uns vorgeschlagene Untersuchungsgegenstand ist besonders wegen seiner praktischen Bedeutung für den gesamten Auftragnehmer-Markt bei sämtlichen Branchenvertretern wie z.B. Wirtschaftskammern, die wir zur Mitarbeit eingeladen haben, auf großes Interesse gestoßen.

Bei der Erstellung des Berichts haben folgenden Institutionen mitgewirkt:

  • Polnische Arbeitgebervereinigung der Bauindustrie
  • Gesamtpolnische Wirtschaftskammer Straßenbau
  • Wirtschaftskammer Landtransport
  • Wirtschaftskammer Gasindustrie
  • Wirtschaftskammer Energie und Umweltschutz

deren Vertreter ebenso wertvolle, im Bericht enthaltene Beiträge geleistet haben.

Untersuchungsmethode

Der Bericht wurde aufgrund spezieller Umfragen bei Auftragnehmern, Lieferanten und Dienstleistern erstellt, die Verträge für öffentliche Auftraggeber im Bereich Infrastruktur und Bau erfüllen. Die Umfragen waren an Führungskräfte, Vertrags- und Projektmanager, Leiter von Rechtsabteilungen sowie Claim Manager gerichtet. An der Umfrage haben mehr als 100 Personen aus allen wichtigen Sektoren teilgenommen, darunter aus dem Bereich Straßenbau, Bahn, Gas und Energie. Unter den genannten Personen befanden sich sowohl Vertreter von Unternehmen, die kleinere (bis 20 Mio. PLN), mittlere (20 bis 150 Mio. PLN) sowie auch größere Verträge (über 150 Mio. PLN) realisieren.

Die Untersuchung umfasste unter anderem die folgenden Fragen:

  • Einfluss der durch Auftraggeber vorbehaltenen Vertragsstrafen auf die Höhe der Angebote der Auftragnehmer
  • Möglicher Einfluss von Auftragnehmern auf die Gestaltung vertraglicher Bestimmungen über Vertragsstrafen während des Vergabeverfahrens
  • Vorliegen einer Symmetrie im Bereich der für beide Vertragsparteien angewandten Vertragsstrafen
  • Problem von Obergrenzen für Vertragsstrafen
  • Höhe und Adäquanz der Vertragsstrafen im Hinblick auf Verletzungen seitens der Auftragnehmer
  • Mögliche Kumulation von Vertragsstrafen gegenüber Auftragnehmern
  • Praktiken der Auftraggeber im Bereich der Vollstreckung von Vertragsstrafen

Außer der Auswahl einer der vorgegebenen Antworten auf die gestellte Frage hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre Antwort durch einen eigenen Kommentar zu ergänzen. Von dieser Möglichkeit wurde recht häufig Gebrauch gemacht, die Teilnehmer haben ihre individuellen Erfahrungen und Beobachtungen mitgeteilt. Dies unterstreicht zusätzlich, wie wichtig und aktuell die angesprochenen Aspekte sind.

Bei der Erstellung des Berichts haben wir auch allgemein zugängliche Informationen über individuelle Fälle von Vertragsstrafen und ihre Vollstreckung durch Auftraggeber verwendet. Nicht in Betracht gezogen haben wir jedoch aggregierte Daten sowie Daten, die vorher durch andere Organisationen veröffentlicht wurden.

Bei der Identifikation der wichtigsten Probleme haben wir insbesondere die Übereinstimmung der Meinungen der Teilnehmer zur Bedeutung des jeweiligen Aspekts berücksichtigt. Die während der Umfrage gesammelten Daten haben wir ergänzend unter Berücksichtigung unserer Erfahrung, die wir in den letzten 15 Jahren bei der Verteidigung von Auftragnehmern gegen die Geltendmachung von Vertragsstrafen durch Auftragnehmer bei der Erfüllung von Verträgen in allen oben genannten Sektoren gesammelt haben, bewertet.

Fortsetzung