Die Ausführung von Bauarbeiten bringt immer weniger Gewinn – was ist die Lösung? (TEIL I)

Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine sowie Nachrichten über bevorstehende Covid-19 Wellen führen dazu, dass die Erfüllung bereits geschlossener Verträge in Bereichen, die besonders von Preisschwankungen betroffen sind, unrentabel wird. In solchen Situationen erwägen Auftragnehmer eine Reihe von Szenarien. Macht es Sinn, den Vertrag trotz astronomischer Kosten zu erfüllen und die Investition im Prinzip für den Investor zu finanzieren oder ist es vielleicht doch vernünftiger, das Projekt abzubrechen und eine Reihe negativer Konsequenzen auf sich zu nehmen?

Zur Artikelreihe

Im vorliegenden ersten Teil des Artikels beschreiben wir die wirtschaftlichen Änderungen, die ursprünglich gemachte Annahmen obsolet gemacht haben. Im zweiten Teil stellen wir mögliche Szenarien und Handlungsmöglichkeiten für Auftragnehmer unter den gegebenen Umständen dar. Der dritte Teil gilt dem Verhandlungsprozess mit dem Investor, unter anderem der Möglichkeit, eine Vertragsänderung vorzunehmen, insbesondere unter Berücksichtigung der Auffassung staatlicher Stellen in diesem Bereich.

Was sagen die Statistiken zum Preisanstieg?

Die neuesten Daten zur Baumontage-Produktion des polnischen Statistikamtes (Główny Urząd Statystyczny) von August dieses Jahres zeigen einen wesentlichen und fortschreitenden Preisanstieg im Baugewerbe seit Anfang letzten Jahres. Wie sich aus der Statistik ergibt, ist der Wert des Indizes im Vergleich zum Vorjahr um 13,8 % gestiegen. Ein Hoffnungsschimmer kommt auf, wenn man sich die Zahlen des Vormonats anschaut, wo ein Anstieg von nur 0,8 % zu sehen ist (im Vergleich zu 1,4% im Juni 2022). Allerdings haben wir es weiterhin mit einem Anstieg zu tun. Ähnliche Schlussfolgerungen lässt der immer noch steigende Inflationsindex zu, der im November diesen Jahres 17,4% betrug (Schätzung des Statistikamtes).

Statistiken versus Realität

Diese Daten stellen lediglich das statistische Spiegelbild der Marktsituation dar und enthalten eine mathematische Objektivierung der Wirtschaftskrise, mit der wir es momentan zu tun haben. Momentan erfahren wir nicht nur aus verschiedenen Informationsquellen, dass die Preise zahlreicher Güter wie unter anderem Strom und Gas in der letzten Zeit drastisch gestiegen sind. Dies ist unter anderem Folge des unerwarteten Kriegsausbruchs in der Ukraine.

Beispiel: Der Preis für einen m3 Dieselöl im Großhandel ist zwischen dem 23. Februar 2022 und dem 9. November 2022 von 4.731,00 PLN netto (PKN Orlen) auf 7125,00 PLN gestiegen (Anstieg um mehr als 50%).

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Preisrekord von Dieselöl im Großhandel (PKN Orlen) am 14. Oktober 2022 bei 7519 PLN netto pro m3 lag, was einen Preisanstieg von 58% im Vergleich zum 23. Februar 2022, dem Tag vor Kriegsausbruch in der Ukraine bedeutete. Um keinen Stillstand zu verursachen und die vereinbarten Fristen einzuhalten waren Auftragnehmer von Bauverträgen gezwungen, erhöhte Ausgaben auf sich zu nehmen, denn unabhängig von der Höhe der Brennstoffpreise konnten sie den Zeitraum der erhöhten Preise nicht überbrücken und auf niedrigere Preise hoffen. Die galoppierenden Preise von Energieträgern haben auch Einfluss auf die Preise von Dienstleistungen und Materialien, die zur Ausführung von Bauarbeiten im Einklang mit den geltenden Standards und Technologien notwendig sind. Der Preis von Dieselöl ist einer der wichtigsten Faktoren für die Preisgestaltung beim Straßentransport, Bodenarbeiten, Lieferung von Materialien oder Transport von Bautruppen und bleibt daher einer der kostenintensivsten Faktoren bei der Erfüllung von Verträgen.

Der Anstieg von Materialpreisen, mittelbarer sowie unmittelbarer Kosten in der Praxis

Unabhängig von der Intensität der Zusammenarbeit mit dem Investor haben viele Auftragnehmer den Einfluss dieser Faktoren und ihre kostensteigernde Wirkung zwischen der Angebotsabgabe und dem Tag der tatsächlichen Erfüllung des Vertrages zu spüren bekommen. Der außerordentliche Preisanstieg hat besonderen Einfluss auf die Geschäftsannahmen von Auftragnehmern. Nicht selten kommt der Managerriege als erstes der Gedanke, die Bauausführung abzubrechen und den Bauplatz zu räumen, was in kurzer Perspektive zwar die Kosten begrenzt, auf lange Sicht allerdings zu rechtlichen Konsequenzen führt. Sinnvoll erscheint daher eine Vertragsänderung, um negative Konsequenzen für Auftragnehmer zu vermeiden.

Es besteht kein Zweifel, dass eine Situation, in der der Generalunternehmer (wie auch Subunternehmer oder Lieferanten) ein Vielfaches der Kosten ohne Unterstützung des Investors tragen, sinnfrei erscheint. Steigende mittelbare und unmittelbare Kosten, Arbeitnehmer, die eine höhere Vergütung fordern, sowie der Einfluss der Änderung des Mindestlohns und der Mindeststundenlohns (siehe die entsprechende Verordnung) bringt das ökonomische Gleichgewicht der Parteien des auf der Etappe der Angebotsabgabe vereinbarten Rechtsverhältnisses durcheinander.

Das Angebot des Generalunternehmers oder Subunternehmers berücksichtigt ausschließlich tatsächliche und wirtschaftliche Umstände, die am Tag der Angebotsabgabe vorhersehbar waren. Kommt es wegen Umständen, auf die der Generalunternehmer keinen Einfluss hat, zu einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, so kann er nicht die negativen Konsequenzen tragen, die bei der Ausführung der Arbeiten unter unvorhersehbaren und vor allem anderen Umständen eintreten.

Wie kann der dramatischen Lage von Auftragnehmern Abhilfe geleistet werden? Die Preisanpassung.

Unsere Mandanten treffen immer öfter bei Verhandlungen auf eine ablehnende Haltung öffentlicher Auftraggeber, wenn es um die Anpassung der Vergütung geht – dies trotz überzeugender Nachweise des Preisanstiegs (siehe Preisindex), sei es aufgrund interner oder externer Analysen entsprechender Experten. Öffentliche Auftraggeber vermeiden Vertragsänderungen im Rahmen öffentlicher Aufträge aus Angst, die Haushaltsdisziplin nicht einzuhalten (oder vor dem Fehlen von Mittel gemäß dem Haushaltsgesetz) und berufen sich auf den fehlenden Nachweis des Kostenanstiegs oder aber auch das fehlende Wissen über die Veränderung der wirtschaftlichen Situation in der Zukunft. Als Argument wird angeführt, dass eine Vertragsänderung oder Preisanpassung bei einer Trendwende zu Vorteilen auf Seiten des Auftragnehmers und entsprechenden Kosten auf Seiten der öffentlichen Hand führen kann.

In solch einer Situation ist es sinnvoll, in den Vertrag eine Preisanpassungsklausel aufzunehmen oder die bestehende Klausel zu aktualiseren.

Dieser Mechanismus erlaubt eine flexible Gestaltung der Vergütung des Auftragnehmers und eine Reaktion auf den Anstieg sowie Abfall der Preise von für die jeweilige Investition essenzielle Produktionsmittel. Dies sichert die Interessen beider Vertragsparteien und kann in Anlehnung an einen üblicherweise verwendeten Index, z.B. den Inflationsindex, erfolgen.

Die negative Einstellung des Investors gegenüber der Anpassung der Vergütung, Änderungen der Art der Anpassung oder die Einführung eines solchen Mechanismus führt dazu, das der Auftragnehmer mit dem unrentablen Projekt allein gelassen wird. Ins Bild tritt dann oft die Erwägung, dieses aufzugeben und so in gewissem Sinne zu „sparen“. Ein solches Vorgehen ist unseres Erachtens stets genau zu prüfen, insbesondere was die möglichen rechtlichen Auswirkungen und die möglichen gesetzlichen und vertraglichen Rechte des Auftraggebers in einem solchen Fall angeht. Die Änderung des Vertrages und anschließende Preisanpassung ist auf lange Sicht wesentlich sicherer, insebesondere im Hinblick auf den weiter fortschreitenden Preisanstieg für Materialien und die sich verändernde wirtschaftliche Lage.

In unserem nächsten Beitrag stellen wir Ihnen adäquate Abhilfemaßnahmen vor. Wir weisen darauf hin, dass gut geführte Verhandlungen – selbst wenn der Auftraggeber eine Preisanpassung ablehnt – die Chancen des Auftragnehmers in einem späteren gerichtlichen Verfahren verbessern und bei der Erfüllung bestimmter Kriterien als Grundlage zum Rücktritt vom Vertrag aufgrund Verschuldens des Investors dienen kann.