Die Preisanpassung bei öffentlichen Aufträgen im Lichte des neuen Sondergesetzes

Seit dem 10. November 2022 gilt das Sondergesetz vom 7. Oktober 2022 über die Änderung einiger Gesetze zur Vereinfachung von Verwaltungsverfahren für Bürger und Unternehmer („Sondergesetz“, poln. Ustawa z dnia 7 października 2022 o zmianie niektórych ustaw w celu uproszczenia procedur administracyjnych dla obywateli i przedsiębiorców).

Die Anpassung der Vergütung im Rahmen öffentlicher Aufträge nach dem Sondergesetz

Der Gesetzgeber sieht das Sondergesetz als Rezept gegen den drastischen Kostenanstieg im Rahmen von Bauinvestitionen und anderen öffentlichen Aufträgen. Der Text des Sondergesetzes wurde während den Gesetzgebungsarbeiten viele Male geändert, nicht alle durch die Baubranche vorgeschlagenen Änderungen wurden jedoch in das Gesetz aufgenommen.

Im vorliegenden Beitrag beantworten wir die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Sondergesetz. War seine Einführung notwendig? Führen die neuen Vorschriften dazu, dass öffentliche Auftraggeber Annexe unterzeichnen? Sind diese Nachträge günstiger als die nach alter Rechtslage vereinbarten Bedingungen?

Wann kann ein Nachtrag über die Preissteigerung abgeschlossen werden?

Ein öffentlicher Auftragsvertrag, der vor Erlass des Sondergesetzes abgeschlossen wurde, kann geändert werden, wenn:

  • eine wesentliche Änderung der Materialpreise oder anderer Kosten im Zusammenhang mit der Erfüllung des öffentlichen Auftrags eingetreten ist
  • der Auftraggeber die Änderung der Marktbedingungen bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht voraussehen konnte.

Der Gesetzgeber hat im Wesentlichen die Auffassung von Praktikern zur Zulässigkeit einer Vertragsanpassung im Falle unvorhersehbarer Änderungen der Marktbedingungen wie etwa dem drastischen Anstieg von Kosten in Anlehnung an Art. 455 Abs.1 Nr. 4 des Vergabegesetzes (Art. 144 Abs.1 Nr. 3 des vorherigen Vergabegesetzes), wiederholt. Diese Ansicht wurde durch den Präsidenten des Vergabeamtes sowie die polnische Generalstaatsanwaltschaft bestätigt.

Anscheinend wollte der Gesetzgeber die Möglichkeit der Vertragsanpassung ausdrücklich ins Gesetz aufnehmen, um eventuelle Zweifel der öffentlichen Hand in diesem Bereich auszuschließen.

Wie kann ein Vergabevertrag geändert werden?

Folgende Änderungen können in Verträgen über öffentliche Aufträge vorgenommen werden:

  • Anpassung der Vergütung des Auftragnehmers
  • Einführung einer sog. Preisgleitklausel (Wertsicherungsklausel), die Grundsätze über die Änderung der Vergütung des Auftragnehmers enthält.
  • Einführung von Klauseln, die eine bereits bestehende Preisgleitklausel ändern.
  • weitreichende Modifikationen anderer vertraglicher Bestimmungen, z.B.
    • im Bereich der Leistung des Auftragnehmers, die zu einer Anpassung der Vergütung oder zu abweichenden Abrechnungsmodalitäten führen kann.
    • betreffend die Frist für die Erfüllung des Vertrages oder eines Teils, sowie auch eine zeitweise Aussetzung der Vertragserfüllung (oder ihres Teils)
    • Art und Weise der Vertragserfüllung (z.B. durch Einführung von Ersatzarbeiten)

Die oben genannten Änderungen können die Vergütung um maximal 50 % des ursprünglichen Vertragswertes ansteigen lassen.

Der oben genannte Änderungskatalog war nach alter Rechtslage zwar zulässig, im Rahmen der Änderungen wurde die Möglichkeit der Vertragsanpassung jedoch ausdrücklich eingeführt.

Vorteile des Sondergesetzes für Auftragnehmer bei der Preisanpassung

  • Es bestätigt die bisherige Auslegung des Vergabegesetzes über Vertragsänderungen, sowie die Art und Weise solcher Änderung.
  • Auftraggeber können sich nicht mehr auf das Fehlen konkreter Vorschriften berufen, die eine Änderung bereits geschlossener, laufender Verträge ermöglichen.
  • Es ermöglicht die umfangreiche Änderung eines Vergabevertrags von der Vergütung über die Einführung einer Preisgleitklausel bis hin zur Änderung des Vertragsumfangs und der Ausführungsfrist.
  • Es ermöglicht die Anpassung der Vergütung unter Hinweis auf den „Index zur Änderung von Materialpreisen und Kosten“ (poln. wkaznik zmiany ceny i materiałów lub kosztów) und insbesondere den durch das Statistikamt bekannt gemachten Verbraucherpreisindex.

Auch wenn es im Vergleich zur bisherigen Rechtslage keine wesentlichen Änderungen gibt, bietet das Sondergesetz Auftraggebern ein weiteres Argument für Verhandlungen mit Auftraggebern, das diese bei einem drastischen Kostenanstieg von einer Vertragsanpassung überzeugen sollte.

Kann das Sondergesetz einen negativen Einfluss auf die Verhandlungsposition von Auftragnehmern haben?

Zu den Nachteilen des Sondergesetzes zählen unter anderem die folgenden Punkte:

  • kein zwingender Charakter der Vertragsanpassung
  • Notwendigkeit der Preisanpassung in Anlehnung an die mit dem Auftraggeber vereinbarte Risikoverteilung
  • Pflicht, die „Früchte“ einer Preisanpassung mit den Subunternehmern und weiteren Unternehmern zu teilen

Grundsätzlicher negativer Aspekt des Sondergesetzes ist vor allem die Pflicht „höhere Ausführungskosten bei öffentlichen Aufträgen zu vereinbarten Teilen“ zu tragen. Ziel des Gesetzgebers war sicherlich, die Risiken, die sich aus den aktuellen wirtschaftlichen Änderungen ergeben, zu mitigieren – die verabschiedeten Vorschriften stehen allerdings dem Vergabegesetz sowie der Rechtsprechung zu zulässigen Anpassungen bei einer außerordentlichen Änderung der Umstände entgegen (betrifft Einheitspreisverträge).

Die Pflicht, entsprechende (d.h. mit dem Vertrag mit dem Auftraggeber übereinstimmende) Änderungen auch in Verträge mit Subunternehmern aufzunehmen kann bei Abschluss von Annexen zur Preisanpassung mit fehlerhafter Formulierung dazu führen, dass eine Annexierung den wirtschaftlichen Sinn verliert.

  • Das Sondergesetz sollte öffentliche Auftraggeber dazu animieren, bei drastisch steigenden Kosten entsprechenden Vertragsänderungen offen gegenüberzutreten. Die nunumehr vorliegende Rechtsgrundlage bestätigt, dass eine Vertragsanpassung in dieser Situation zulässig ist.
  • Die Parteien haben nun mehr Freiheiten, was die Art und Weise der Vertragsänderung angeht. Dies kann sicherlich in vielen Fallgestaltungen helfen, einen für beide Parteien zufriedenstellenden Kompromiss zu erarbeiten (z.B. durch Einführung alternativer Lösungen).
  • Das Sondergesetz führt jedoch eine Risikoaufteilung zwischen Auftragnehmern und Auftraggebern ein, was bisher in Verhandlungen streitig war.
  • Auftragnehmer sind auch – nach Abschluss von „Anpassungsannexen“ – verpflichtet, spiegelbildliche Änderungen in Verträgen mit Subunternehmern einzuführen.

Fazit für die Praxis

Auftragnehmer, die sich in der letzten Verhandlungsphase mit Auftraggebern befinden, sollten die Verhandlungen so schnell wie möglich beenden und vor Inkrafttreten der neuen Vorschriften entsprechende Annexe abschließen.

Befinden sich die Verhandlungen einer Vertragsanpassung noch in der Anfangsphase ist es entscheidend, die Verhandlungsstrategie gegenüber Auftraggebern und Subunternehmern entsprechende anzupassen und festzulegen, wie der Vertrag geändert wird und die weitere Vertragserfüllung auszusehen hat.