Verzinsung von verauslagten Gerichtskosten – der problematische Art. 98 § 1¹ ZPO

Mit Änderung vom 4. Juli 2019 wurde Art. 98 § 11 in die polnische Zivilprozessordnung (ZPO) eingefügt, laut dem die obsiegende Partei Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen für die zugesprochenen Prozesskosten (Kosten, die zur Durchsetzung von Ansprüchen und Verteidigung erforderlich sind) hat. Mit dieser Lösung wurde auf Forderungen aus der Anwaltschaft reagiert. Absicht des Gesetzgebers war es, die Parteien auf diese Weise zu motivieren, „die Vollstreckung des Urteils zu betreiben“. Art. 98 § 11 sollte auf Verfahren angewendet werden, die ab dem 7. November 2019 eingeleitet werden. In der Praxis erwies sich die Anwendung von Art. 98 § 11 ZPO jedoch als problematisch.

Praktische Anwendung von Art. 98 § 11 ZPO

Zwar wollte der Gesetzgeber, dass die Zinsen der obsiegenden Partei von Amts wegen zustehen, ohne dass es eines Antrags auf Zuerkennung und einer gesonderten Entscheidung im Urteil bedarf. Die Gerichte gingen jedoch unterschiedlich mit dieser Frage um. Daher wurde durch das Gesetz vom 9. März 2023 zur Änderung des Gesetzes über die Zivilprozessordnung und einiger anderer Gesetze ein dritter Satz in Art. 98 § 11 ZPO eingefügt. Demnach entscheidet das Gericht von Amts wegen über die Verpflichtung zur Zahlung von Prozesskostenzinsen. In der Fassung dieser Änderung ist Art. 98 § 11 ZPO seit dem 1. Juli 2023 in Kraft und gilt auch für Verfahren, die vor diesem Zeitpunkt eingeleitet und nicht abgeschlossen wurden.

Die Änderungen von Art. 98 § 11 ZPO sind in der nachstehenden Tabelle zusammengefasst.

Änderungen von Art. 98 § 1 polnische ZPO und Anwendungsbereich

Gilt Artikel 98 § 11 ZPO auch für Verfahren, die vor dem 7. November 2019 eingeleitet wurden?

Die Änderung von Art. 98 § 11 ZPO, die seit 1. Juli 2023 in Kraft ist, hat jedoch nicht alle Anwendungsprobleme gelöst. Solche können sich aus den Übergangs- und Einführungsbestimmungen von Artikel 98 § 11 ZPO ergeben.

In der Praxis kann man auf die Auffassung stoßen, dass Art. 98 § 11 ZPO in seiner derzeitigen Fassung nur für Verfahren gilt, die nach dem 7. November 2019 eingeleitet werden. Dies liegt daran, dass die letzte Änderung (Hinzufügung des dritten Satzes – „das Gericht entscheidet von Amts wegen über die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen“) rein ordnungspolitisch gedacht war, d.h. sie bestätigte, was der Gesetzgeber bereits in der Begründung des Gesetzes vom 4. Juli 2019 zur Änderung des Gesetzes – ZPO und einiger anderer Gesetze beschrieben hatte und sollte in dieser Hinsicht nichts ändern.

Eine solche Auslegung von Art. 98 § 11 ZPO erscheint jedoch im Zusammenhang mit den Übergangs- und Einleitungsbestimmungen von Art. 98 § 11 ZPO unangemessen.

  • Erstens widerspricht sie dem Wortlaut von Art. 19 des Gesetzes vom 9. März 2023 zur Änderung des Gesetzes – ZPO und einiger anderer Gesetze. Demnach soll Artikel 98 § 11 des ZPO in der durch dieses Gesetz gegebenen „Fassung“, d.h. mit dem hinzugefügten dritten Satz, tatsächlich für Verfahren gelten, die vor dem 1. Juli 2023 eingeleitet und nicht abgeschlossen wurden. Das bedeutet, dass Art. 98 § 11 ZPO in diesem Wortlaut, d.h. mit dem Wortlaut, der auch (aber nicht ausschließlich) den dritten Satz dieser Bestimmung berücksichtigt, für alle Verfahren gelten soll, die vor dem 1. Juli 2023 eingeleitet und nicht abgeschlossen wurden, und nicht nur für solche, die nach dem 7. November 2019 eingeleitet wurden.
  • Zweitens würde dies dazu führen, dass bei der Anwendung von Art. 98 § 11 der ZPO, Art. 19 des Gesetzes vom 9. März 2023 zur Änderung des Gesetzes – ZPO – und einige andere Gesetze außer Acht gelassen würden. Dies würde wiederum gegen das Verbot der Auslegung per non est verstoßen, die es verbietet, Rechtsvorschriften in einer Weise auszulegen, die zu dem Schluss führt, dass Teile davon überflüssig sind.
  • Drittens ist eine solche Auslegung nur schwer mit dem Rationalitätsgrundsatz des Gesetzgebers zu vereinbaren. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass Art. 98 § 11 der ZPO in der ab dem 1. Juli 2023 geltenden Fassung nur für Verfahren gilt, die nach dem 7. November 2019 eingeleitet werden, hätte er dies in Art. 19 des Gesetzes vom 9. März 2023 zur Änderung des Gesetzes – ZPO und einiger anderer Gesetze – ausdrücklich vorgesehen. Die Verpflichtung zur Anwendung von Art. 98 § 11 der ZPO in der ab dem 1. Juli 2023 geltenden Fassung auf alle Verfahren, die vor dem 1. Juli 2023 eingeleitet und nicht abgeschlossen wurden, ergibt sich indessen eindeutig aus dieser Bestimmung.
  • Viertens scheint eine solche Auslegung auch der Absicht des Gesetzgebers selbst zu widersprechen. Aus der Begründung des Entwurfs von Art. 19 des Gesetzes vom 9. März 2023 zur Änderung des Gesetzes über die ZPO und einiger anderer Gesetze geht hervor, dass Art. 19 dieses Gesetzes „[s]upposes […] that the Act should apply to the widest possible extent also to civil proceedings pending at the time of its entry into force“. Eine Beschränkung der Anwendung von Art. 98 Abs. 11 ZPO in der ab dem 1. Juli 2023 geltenden Fassung ausschließlich auf Verfahren, die ab dem 7. November 2019 eingeleitet werden, würde hingegen die Erreichung dieses Ziels erheblich einschränken und diesem zuwiderlaufen.

Fazit

Wie die Praxis zeigt, kann die Zulässigkeit der Anwendung von Art. 98 § 11 ZPO in seiner derzeitigen Fassung auf alle Verfahren, die vor dem 1. Juli 2023 eingeleitet und nicht abgeschlossen werden, einige Zweifel aufwerfen. Es scheint jedoch mehr dafür zu sprechen, ihn auch auf Verfahren anzuwenden, die vor dem 7. November 2019 eingeleitet und nicht vor dem 1. Juli 2023 abgeschlossen wurden.

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