Warum Polen? 8 Argumente für das Nearshoring ins Nachbarland

Polens Wirtschaft hat sich seit seinem EU-Beitritt enorm entwickelt und befindet sich als sechstgrößte Volkswirtschaft direkt hinter den Niederlanden, Spanien, Italien Frankreich und Deutschland. Trotz der Rezession 2009 und der Covid-19 Pandemie konnte sich Polen behaupten und die negativen Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt schnell ausgleichen. Der seit 2022 andauernde Ukrainekrieg, die Inflation und steigende Preise für Strom und Gas machen es der polnischen Wirtschaft nicht einfach. Aber trotz der schwierigen Lage bleibt Polen eines der beliebtesten Länder für Investitionen – nicht nur aus dem deutschsprachigen Raum.

Was macht Polen so attraktiv?

1. Strategische Lage und kulturelle Nähe

Polens geopolitische Lage in Zentraleuropa sowie der Zugang zur Ostsee und gut entwickelte Logistikpunkte an den wichtigsten Transportrouten machen Polen zu einem strategisch optimal gelegenen Investitionsstandort. Als Nachbarland Deutschlands wählen zahlreiche Unternehmer grenznahe Standorte, die kürzeste Transportwege garantieren und oft in Sonderwirtschaftszonen gelegen sind. Polen verfügt über 15 Flughäfen, 4 Seehäfen, 19 326 km Zugstrecke (2021) sowie ca. 4700 km Schnellstraßen (September 2022). Ein Streckennetz, das täglich ausgebaut wird. Bis 2027 soll 40km südwestlich von Warschau der polnische Zentralflughafen entstehen (poln. Centralny Port Komunikacyjny, kurz CPK), der eine jährliche Kapazität von 45 Millionen Passagieren haben soll.

Neben der für das Nearshoring aus deutschsprachigen Ländern günstigen Lage ist auch die kulturelle Nähe Polens ein wichtiges Argument. Vergleichbare Sitten, Bräuche sowie die professionelle Einstellung zu Arbeitsaufgaben tragen dazu bei, dass Unternehmen, die sich einmal für das Nearshoring entschieden haben, von diesem Modell nicht mehr zurückweichen.

2. Mitgliedschaft in internationalen Organisationen

Neben seiner Mitgliedschaft in der EU ist Polen Mitglied von NATO, OSZE, OECD, UN, Europarat, WTO und CEFTA, um nur einige zu nennen.

3. Sicherheit

Die polnische Armee zählt zu den moderneren Streitkräften in Europa, es werden laufend Gelder in die Modernisierung investiert. Es gibt mehrere NATO-Standorte in Polen: Den “NATO Multinational Corps Northeast” in Stetttin, das “NATO ICT Support Team” und die “NATO Force Integration Group” Bydgoszcz, sowie das NATO Counterintelligence Expert Center in Krakau. Mitte 2022 begannen die Vorbereitungen zur Einrichtung eines Hauptsitzes für den V. US-Army Corps in  Polen. Momentan sind in Polen ca. 11 000 US-Soldaten meist auf Rotationsbasis anwesend. Seit Anfang Februar sind in Südostpolen zudem Patriot-Abwehrsysteme der Bundeswehr stationiert. 

4. Stabile Wirtschaft

Im Zeitraum von 1989 bis 2018 ist das polnische Bruttoinlandsprodukt um 826, 96 % gewachsen und hat damit das beste Ergebnis unter allen europäischen Ländern erzielt.

Nicht nur die Krise 2009, der Polen als einziges EU-Land strotzte, auch die Pandemie konnte der polnischen Wirtschaft nichts anhaben. Zwar gab es 2020 eine kurze Rezession, von dieser erholte sich Polen jedoch schnell und bereits 2021 wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 6,8 %. Dies ist unter anderem der soliden, breit gefächerten Industrie und dem hervorragenden Export zu verdanken. Zudem ist Polen ein Land, das sich schnell an neue Umstände anpasst und nicht vor innovativen Lösungen zurückschreckt. Im Vergleich zu den übrigen Ländern der Europäischen Union ist Polens Wirtschaft deutlich krisenresistenter (siehe Grafik unten).

Tatsächliches Wachstum des BIP

Quelle: IMF

5. Arbeitskräfte

Polen verfügt über mehr als 300 Hochschulen und über eine Million Studenten. Ein Schwerpunkt liegt eindeutig auf Studiengängen mit technischem Hintergrund, den ca. 20% der Studierenden abschließen. Das größte Interesse verzeichnen informatische Studiengänge (33 000 Studienanfänger 2022).

Polens hochqualifizierte Workforce ist eines der Hauptargumente für ausländische Investoren, sich auf dem polnischen Markt niederzulassen, dies geht regelmäßig aus Umfragen unter Investoren hervor.

Mit derzeit 5,5 % (Stand Januar 2023) ist Polen eines der Länder mit der niedrigsten Arbeitslosenquote. Nach Daten der Eurostat und der durch diese verwendeten Berechnungsmethode betrug die Arbeitslosenquote für Dezember 2022 in Polen 2,9% gegenüber 6,1% in der Europäischen Union. Polen ist damit gemeinsam mit Deutschland auf dem zweiten Platz gleich nach Tschechien mit 2, 3%.

Die Arbeitskosten sind mit ca. 12 Euro pro Stunde im Vergleich zum EU-Durchschnitt von fast 30 EUR äußerst attraktiv.

Zum 1. Januar 2023 ist der Mindestlohn in Polen auf 3490 PLN (ca. 740 EUR) gestiegen, ab dem 1. Juli 2023 beträgt dieser 3600 PLN (ca. 765 EUR).

6. Polen und seine Handelspartner – Import & Export

Der polnische Export betrug im Jahr 2022 fast 344 Milliarden Euro und ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 19,3 % gestiegen, so das polnische Statistikamt. Gut ein Drittel des Exportes erfolgte mit 120 Milliarden Euro in EU-Länder, was einen Anstieg von einem Fünftel im Vergleich zum Vorjahr bedeutete. Der Export in mittel- und osteuropäische Länder verzeichnete hingegen einen minimalen Anstieg von 2,6 % auf knapp 17 Milliarden Euro.

Größter Abnehmer polnischer Exportprodukte ist Deutschland. Im vergangenen Jahr wurden Güter im Wert von 95,6 Milliarden Euro exportiert, was einen Anstieg von 15,3 % bedeutete. In 2022 war Polen damit vor Italien und Frankreich der viertgrößte Exporteur von Waren nach Deutschland.

Zweitgrößtes Exportland Polens war Tschechien mit Waren im Wert von knapp 23 Milliarden Euro (Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Drittel). Dritter auf dem Treppchen ist Frankreich mit knapp 20 Milliarden Euro und einem Vorjahresanstieg von 18,9%.

Polen war zudem der fünftgrößte Importeur deutscher Waren. Der Handelsumsatz stieg um 13,6 % und erreichte einen Wert von 167,6 Mrd. Euro, wobei Polen seinen fünften Platz in der Kategorie Handelsumsatz behauptete.

7. Attraktive Bedingungen für ausländische Investoren durch Subventionen

Investoren können in Polen eine Reihe von Beihilfen in Anspruch nehmen. Besonders oft genutzt werden Nachlässe auf die Körperschaftssteuer in einer der Sonderwirtschaftszonen oder etwa das Programm für Investitionen mit besonderer Bedeutung für die polnische Wirtschaft (2011-2030), im letzten Jahr wurden in seinem Rahmen 41 Subventionsempfehlungen ausgesprochen.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Programme für innovative Projekte, Investitionen in die Automatisierung, den Bau von Prototypen oder im Bereich IT.

Ausländische Unternehmen haben 2022 mehr als 3,7 Mrd. EUR in Polen investiert (200 Mio. Euro mehr als 2021, 1 Mrd. mehr als 2020), im Jahr 2022 wurden 126 Investitionsentscheidungen gefällt (2021 waren es 96), es entstehen ca. 14 000 neue Arbeitsplätze. (Daten der PAIH).

Wer sind die Hauptinvestoren? An der Spitze befindet sich

  • Deutschland mit 1,4 Mrd. EUR und 4000 Arbeitsplätzen (2021: Süd-Korea mit 1,9 Mrd. EUR und 1967 Arbeitsplätze)
  • Schweiz mit 611 Mio. EUR und 300 Arbeitsplätzen (2021: USA mit 364 Mio EUR und 5414 Arbeitsplätzen)
  • Japan mit 320 Mio. EUR und 1000 Arbeitsplätzen ( (2021: Deutschland mit 155 Mio. EUR und 192 Arbeitsplätze)

Zu den beliebtesten Regionen für Investoren gehören Masowien, Kleinpolen sowie Schlesien und Niederschlesien.

Im Rahmen des staatlichen Programms Poland Business Harbour, dass an IT-Firmen, Startups sowie andere Firmen gerichtet ist, wurden im letzten Jahr 50 Unternehmen nach Polen verlagert und 44 000 Visaempfehlungen erlassen. Die Programmteilnehmer haben Investitionsaufwendungen in Höhe von fast 87 Millionen Euro deklariert, es wurden mehr als 2700 neue Arbeitsplätze geschaffen.

8. Zukunfssektoren

Luftfahrt Die fünf größten Produzenten von Flugzeugturbinen produzieren in Polen. Die Luft- und Raumfahrtbranche erreicht Verkaufszahlen von 8.5 Milliarden PLN.

Lebensmittel – Polen produziert eine Vielzahl von Lebensmitteln, meist Obst und Gemüse, wobei fast die Hälfte exportiert wird. Von Januar bis September 2022 wuden Agrarlebensmittel im Wert von knapp 39,2 Milliarden Euro exportiert. Es gibt knapp 1300 Unternehmen in diesem Sektor.

Elektromobilität – Polen verfügt bereits über einen hervorragend ausgebauten und einen der weltweit am schnellsten wachsenden Autoteile-Markt. In der Nähe von Breslau gibt es bereits eine der größten Fabriken für Lithiumionen Batterien.

Business Services Sektor – Polen macht mit mehr als 1700 Business Services Centern einen Grossteil aller Center in Zentral- und Osteuropa aus. Die Mehrheit der Center wird von ausländischen Investoren betrieben.  Der Sektor verfügte im ersten Quartal 2022 über mehr als 400 000 Angestellte.

IT–  Ende 2022 gab es in der Branche über 160 000 Unternehmen mit ca. 600 000 Beschäftigten. Die hervorragende Ausbildung und Arbeitsethik polnischer IT-Spezialisten beschert polnischen Programmierern den Ruf, zu den besten der Welt zu gehören. Zahlreiche Unternehmen bieten Outsourcing-Dienstleistungen für ausländische Unternehmen an.