Die Berichterstattung durch Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften nach den neuen Vorschriften

Aufsichtsräte sind verpflichtet, die Angemessenheit und Wirksamkeit von Compliance-Systemen im jeweiligen Unternehmen zu prüfen und – falls solche nicht vorhanden sind – zu beurteilen, ob das Unternehmen ein Compliance-System einführen muss.

Die „Aktivierung“ von Aufsichtsräten durch die HGGB- Reform

Die „Aktivierung der Aufsichtsräte“, die durch die Reform des polnischen Handelsgesellschaftsgesetzbuches (HGGB) erfolgt ist, äußert sich unter anderem in der Verpflichtung der Aufsichtsrats, seine Tätigkeit im vorangegangenen Geschäftsjahr in einem Bericht zusammenzufassen. Der obligatorische Inhalt des Aufsichtsratsberichts wurde durch die Reform erheblich erweitert. Der Bericht ist erstmalig auf der Hauptversammlung für das Jahr 2023 zu verabschieden. Dies ist die letzte Gelegenheit, um einen praktischen Blick auf die Aufgaben der Aufsichtsräte zu werfen, deren Leistung sich in dem Bericht widerspiegeln sollte. Der Inhalt des Berichts spiegelt die dem Aufsichtsrat obliegenden Aufsichtspflichten wider und kann für die Entscheidung über eine eventuelle Haftung seiner Mitglieder von Bedeutung sein.

Mindestinhalt des Aufsichtsratsberichts

Seit dem 13. Oktober 2022 muss der Aufsichtsratsbericht über das jeweilige Tätigkeitsjahr mindestens folgende Informationen enthalten:

1. ein Ergebnis der Prüfung des Lageberichts und des Jahresabschlusses für das abgelaufene Geschäftsjahr durch den Aufsichtsrat

2. eine Bewertung der Lage des Unternehmens unter Berücksichtigung der Angemessenheit und Wirksamkeit interner Kontrollsysteme, des Risikomanagements, der Gewährleistung der Einhaltung von Normen oder geltenden Praktiken und der internen Revision

3. die Bewertung der Umsetzung der Verpflichtungen des Vorstands zur Unterrichtung des Aufsichtsrats über:

  • Vorstandsbeschlüsse und ihren Gegenstand
  • die Lage der Gesellschaft, einschließlich ihres Vermögens, sowie über wichtige Umstände im Zusammenhang mit der Führung der Geschäfte der Gesellschaft, insbesondere im betrieblichen, investiven und personellen Bereich
  • die Fortschritte bei der Umsetzung der Geschäftsausrichtung der Gesellschaft und Abweichungen von der zuvor festgelegten Ausrichtung samt Begründung
  • Vorgänge und sonstige Ereignisse oder Umstände, die die finanzielle Lage der Gesellschaft, einschließlich ihrer Rentabilität oder Liquidität, wesentlich beeinflussen oder beeinflussen können, sowie
  • Änderungen der zuvor gemachten Angaben, wenn diese Änderungen die Lage des Unternehmens wesentlich beeinflussen oder beeinflussen können

4. eine Bewertung der Art und Weise, auf die der Vorstand Informationen, Dokumente, Berichte oder Erklärungen, die der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Kompetenzen ad hoc angefordert hat, vorbereitet oder dem Aufsichtsrat vorgelegt hat.

5. Informationen über die Gesamthöhe der vom Unternehmen an den Berater des Aufsichtsrats zu zahlenden Vergütung für alle durch den Aufsichtsrat im Geschäftsjahr in Auftrag gegebenen Prüfungen.

Neue Pflichten und Best Practices für an der Warschauer Börse notierte Unternehmen

Für börsennotierte Unternehmen ist der Umfang des geänderten Berichts nichts Neues. Nach den geltenden „Best Practices for WSE-listed Companies“ (Dobre Praktyki Spółek Notowanych na GPW, kurz DPSN) war der Aufsichtsrat bereits vor der beschriebenen Änderung des HGGB verpflichtet, einmal jährlich einen Jahresbericht mit einigen der oben genannten Elemente zu erstellen und der Hauptversammlung zur Genehmigung vorzulegen. Laut dem von der Warschauer Börse geführten DPSN-Scanner erstellen sogar 94,7 Prozent der befragten Unternehmen einen Bericht in dieser Form (Stand: 28. April 2023).

Anders verhält es sich bei nicht börsennotierten Gesellschaften, deren Aufsichtsräte bis zur Reform verpflichtet waren, einen Bericht von sehr begrenztem Umfang zu erstellen. Der Bericht musste die Ergebnisse der Bewertung des Lageberichts und den Jahresabschluss des Unternehmens (sowohl im Hinblick auf die Übereinstimmung mit den Büchern und Unterlagen als auch mit den Tatsachen) durch den Aufsichtsrat enthalten sowie eine Bewertung des Vorschlags des Vorstands über die Gewinnverteilung oder der Pläne zum Verlustausgleich. Mit den neuen Vorschriften wird diese Verpflichtung erheblich ausgeweitet, was für die Praxis eine große Herausforderung darstellt.

Bewertung des Compliance-Systems der Gesellschaft

Besondere Aufmerksamkeit sollte der Verpflichtung gewidmet werden, in dem Bericht eine Bewertung der Lage des Unternehmens unter Berücksichtigung der Angemessenheit und Wirksamkeit der internen Kontrollsysteme, des Risikomanagements, der Gewährleistung der Einhaltung von Normen oder der geltenden Praktiken und der Grundsätze der internen Revision vorzunehmen. Daraus ergibt sich für den Aufsichtsrat die Pflicht, die Angemessenheit und Wirksamkeit des Compliance-Systems des Unternehmens zu prüfen und, falls keine derartigen Mechanismen vorhanden sind, zu beurteilen, ob das Unternehmen sie einführen muss. Eine solche Bewertung sollte unter Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit des Unternehmens (einschließlich des Risikos der Nichteinhaltung), seiner Größe, seiner Ziele und seines Geschäftsmodells vorgenommen werden. Gleichzeitig kann der Inhalt des Aufsichtsratsberichts nicht losgelöst von Unternehmensprozeduren betrachtet werden.

Die Bewertung darf keine Wiederholung der Beurteilung des Vorstands aus dem Lagebericht oder des Wirtschaftsprüfers darstellen, der den Lagebericht geprüft hat. Der Vorstand muss eine solche Bewertung selbst vornehmen und bereit sein zu erklären, aufgrund welcher Annahmen und Fakten er dies getan hat. Gleichzeitig sollte die Einschätzung des Aufsichtsrats, dass es kein Compliance-System gibt und dass es nicht notwendig ist, ein solches einzurichten, mit umso größerer Sorgfalt und Sensibilität begründet werden.

Der Grundsatz der beruflichen Sorgfaltspflicht gilt auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats und seine Verletzung kann zu einer persönlichen Haftung führen. Die vom Aufsichtsrat vorgenommene Bewertung sollte daher fair und gründlich sein und auf Grundlage von Informationen, Analysen und Meinungen erfolgen, die unter den gegebenen Umständen bei einer sorgfältigen Bewertung zu berücksichtigen sind (Business Judgement Rule). Bei der Ausübung seiner neuen Befugnisse sollte der RN bei der Bewertung der Angemessenheit und Wirksamkeit des Compliance-Systems von einem Berater unterstützt werden, der eine Prüfung durchführt und Schlussfolgerungen liefert. Der Bericht des Audits kann eine zuverlässige Grundlage für die Formulierung der Schlussfolgerungen im Aufsichtsratsbericht bilden und die Bewertung des Aufsichtsrats objektivieren.

Welchen Zeitraum umfasst der erste Aufsichtsratsbericht?

Die Reform des HGGB ist am 13. Oktober 2022 in Kraft getreten. Die im Bericht dargestellte Bewertung in dem in den Punkten 3, 4 und 5 (siehe oben) angegebenen Umfang sollte sich daher auf den Zeitraum von diesem Datum bis zum Ende des Geschäftsjahres beziehen, da der Vorstand verpflichtet war, die neuen Offenlegungspflichten in diesem Zeitraum zu erfüllen. Gleichzeitig war der Vorstand verpflichtet, Informationen oder Dokumente für die früheren Monate des Jahres 2022 zur Verfügung zu stellen, wenn der Aufsichtsrat in Ausübung seiner neuen Befugnisse Informationen oder Dokumente angefordert hat. Die Handlung des Vorstands unterliegt der Bewertung durch den Aufsichtsrat.

Die Verpflichtung zur Bewertung des Compliance-Systems bezieht sich auf das Funktionieren des Systems im Unternehmen. Trotz des Inkrafttretens der Vorschriften im dritten Quartal 2022 bewertet der Aufsichtsrat die Angemessenheit und Wirksamkeit am Ende des Jahres, wobei die Funktionsweise dieses Systems während des gesamten Geschäftsjahres berücksichtigt wird.

Anpassung der Informationspflichten des Vorstands an die Bedürfnisse des Unternehmens

Die Erstellung des ersten Berichts durch den Aufsichtsrat stellt eine gute Gelegenheit dar, um die Zweckmäßigkeit und Funktionalität der Informationspflichten des Vorstands zu prüfen. Die Vroschriften des polnischen Aktiengesetzes erlauben es, sowohl den Umfang als auch die Form der vom Vorstand bereitgestellten Dokumente und Informationen zu ändern. Wenn das Unternehmen bereits über ein bewährtes System verfügt, lohnt es sich, die Satzung des Unternehmens und die geltenden Regelungen für Vorstand und Aufsichtsrat daran anzupassen. Dies kann ein effizienteres Funktionieren beider Organe gewährleisten und sicherstellen, dass mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt wird, was letztendlich eine mögliche persönliche Haftung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats verhindert.