Was tun beim Anstieg von Materialpreisen?

Der neuliche Anstieg der Rohstoffpreise wirkt sich erheblich auf die Tätigkeit von Bauunternehmern aus, die an langfristige Verträge gebunden sind. Um die Folgen dieser Änderungen zu minimieren, stehen Betroffenen entsprechende rechtliche Handlungsinstrumente zu Verfügung.

Starker Aufwärtstrend auf dem Rohstoffmarkt

Seit Ende 2020 ist auf dem Rohstoffmarkt ein starker und lange nicht gesehener Aufwärtstrend zu erkennen. Nach Angaben der Londoner Metallbörse und der New Yorker Rohstoffbörse steigen die Preise für Zinn (um 160 % zwischen dem Mindestpreis im Jahre 2020 und dem aktuellen Preis), Silber (104 %) und Kupfer (97 %) am stärksten, aber auch die im Bauwesen vielseitig genutzten Rohstoffe sind deutlich teurer geworden – Stahl (um 91 %) und Aluminium (um 86 %).

Die Änderung der Rohstoffpreise bedeutet schließlich auch den Anstieg von Baumaterialpreisen, was sich wiederum negativ auf die Tätigkeit von Lieferanten und Bauunternehmern auswirkt. Da Verträge jedoch bekanntermaßen einzuhalten sind, ist der bei Vertragsschluss festgelegte Preis für die Parteien trotz Preisänderung der Rohstoffe, die zur Herstellung des Produktes oder Ausführung von Arbeiten erforderlich sind, verbindlich. Veränderungen der makroökonomischen Lage führen somit in solchen Fällen zu finanziellen Einbußen bei einer der Vertragsparteien.

Das Wesen der gesetzlichen Regelung

Bauverträge enthalten normalerweise eine sog. Anpassungsklausel, aufgrund deren die Höhe der Vergütung bei Preisänderungen von Produktionsmitteln angepasst wird. Da sich diese Klausel in der Praxis jedoch häufig als wenig wirksam erweist, verbleibt die Möglichkeit, im Gesetz nach hilfreichen Regelungen zu suchen.

Ein Bauunternehmer kann folgende Möglichkeiten in Anspruch nehmen:

  • Clausula rebus sic stantibus und
  • Schadenersatzansprüche

Clausula rebus sic stantibus

Bei einer außergewöhnlichen Änderung von Umständen (hier: Änderungen auf dem Bauproduktionsmarkt), die übermäßige Schwierigkeiten bei der Leistungserfüllung oder schwerwiegende Verluste nach sich zieht, mit denen die Parteien beim Vertragsschluss nicht gerechnet haben, kann eine Vertragspartei (hier: der Bauunternehmer) eine gerichtliche Vertragsänderung z.B. durch Erhöhung der Vergütung oder gar eine Vertragskündigung beantragen.

Das Gericht hat sich bei der Anpassung des Rechtsverhältnisses nach dem Interesse beider Parteien und nach den Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu richten. Bei einem schwerwiegenden Verlust besteht die Vertragsanpassung normalerweise in der Erhöhung der Vergütung um den Gegenwert des Verlusts (d.h. den tatsächlichen Mehrkosten im Verhältnis zu den bei Angebotsberechnung vorhersehbaren Kosten) bzw. um den Teil, der den Umständen der Vertragserfüllung und der Lage der Vertragsparteien, die vom Gericht berücksichtigt wurden, entspricht.

In der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte wurde bereits mehrmals der Standpunkt vertreten, dass eine plötzliche Preisänderung von Baumaterialien zu einer außergewöhnlichen Veränderung der Umstände im Sinne der Clausula rebus sic stantibus führt. Die Unvorhersehbarkeit der Marktentwicklungen für einen Bauunternehmer oder Lieferanten sollte wiederum aus der Perspektive eines zuverlässigen Unternehmens der jeweiligen Branche und anhand der zum Zeitpunkt der Angebotsberechnung verfügbaren Informationen festgestellt werden.

Die Clausula rebus sic stantibus sieht eine Haftung nach billigem Ermessen vor. Das Verschulden der anderen Vertragspartei ist also dabei nicht von Bedeutung, wodurch sich der Anspruch wesentlich leichter begründet lässt. Die Klage auf Anpassung bzw. Kündigung des Vertrags ist jedoch vor Abschluss der Vertragserfüllung einzureichen, ansonsten ist die Vertragsanpassung unmöglich und der Bauunternehmer muss nach anderen Möglichkeiten suchen, um Abhilfe gegen den plötzlichen Preisanstieg zu schaffen.

Schadenersatzansprüche

Eine dieser anderen Möglichkeiten ist die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen. Einem Bauunternehmer steht Schadenersatz z.B. dann zu, wenn der Auftraggeber die verspätete Ausführung der Arbeiten zu vertreten hat und der Bauunternehmer infolgedessen gezwungen ist, die Baumaterialien später zu erwerben, als dies bei planmäßiger Arbeitsausführung der Fall gewesen wäre.

Die Folgen, die Bauunternehmer durch den plötzlichen Preisanstieg von Baumaterialien zu tragen haben, können durch rechtzeitig eingeleitete Maßnahmen sowie eine vorangehende fachkundige Analyse der Rechtslage wesentlich gemildert werden. Es steht eine umfangreiche Auswahl an Vertrags- und Rechtsinstrumenten zur Verfügung, die zur Stabilisierung der weiteren Geschäftstätigkeit geeignet sein können.