Reform des Gesellschaftsrechts 2022 – neue Rechte und Pflichten für Aufsichtsräte
Am 13. Oktober 2022 ist die Reform des polnischen Gesellschafts- und Konzernrechts in Kraft getreten, die zahlreiche Änderungen für Leitungsorgane und Aufsichtsräte („AR“) von Kapitalgesellschaften enthält. Insbesondere für den Aufsichtsrat ergibt sich eine Reihe neuer Rechte und Pflichten, die seine Rolle im Unternehmen verstärken. Im Folgenden stellen wir kurz die wichtigsten Neuerungen rund um den Aufsichtsrat dar.
Die Organisation von Aufsichtsratssitzungen
Der Vorsitzende
- Die Arbeiten des AR werden von dem Aufsichtsratsvorsitzenden geleitet, der diese organisiert und Sitzungen einberuft.
- Der Gesellschaftsvertrag kann bestimmte Rechte im Zusammenhang mit der Arbeitsorganisation sowie Handlungen des AR auf andere AR-Mitglieder übertragen.
Die Einberufung von Sitzungen
- Die Vorschriften zur Einberufung und Abhaltung von AR-Sitzungen sind weitgehend flexibel.
- AR-Sitzungen werden je nach Bedarf einberufen, nicht seltener jedoch als einmal im Quartal.
- Sitzungen werden per Einladung unter Angabe des Datums, der Uhrzeit, Ort, Tagesordnung sowie eventuell verwendeter Fernkommunikationsmittel einberufen. Der Gesellschaftsvertrag kann die Art und Weise der Einberufung sowie eine Einberufungsfrist festlegen.
- Eine Abhaltung ohne formelle Einberufung kann nur dann erfolgen, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung erteilen und keinen Widerspruch gegen einzelne Tagesordnungspunkte einlegen.
Beschlussfassung
- Eine Beschlussfassung kann auch in Angelegenheiten erfolgen, die nicht auf der Tagesordnung stehen, wenn keiner der Anwesenden Widerspruch einlegt, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sieht etwas anderes vor.
- Der Gesellschaftsvertrag kann vorsehen, dass die Beschlussfassung in bestimmten Angelegenheiten in der Einladung angekündigt werden muss.
- Die Beschlussfassung ist grundsätzlich offen, sofern Gesellschaftsvertrag oder Geschäftsordnung nichts anderes bestimmen.
Pflicht zur Protokollierung von Aufsichtsratsbeschlüssen
- Das Protokoll hat die Vor- und Nachnamen der teilnehmenden AR-Mitglieder, den Inhalt der gefassten Beschlüsse sowie das Abstimmungsergebnis zu enthalten. Ebenso werden abweichende Auffassungen samt Begründung festgehalten.
- Genauere Regelungen sind in Gesellschaftsverträge bzw. Geschäftsordnungen aufzunehmen.
- Fehlen entsprechende Regelungen, wird das Protokoll durch das der Abstimmung vorsitzende AR-Mitglied oder den Sitzungsleiter unterzeichnet.
Das Informations- und Prüfungsrecht des Aufsichtrats
Der AR hat ein Informations- und Prüfungsrecht in folgendem Umfang:
- Prüfung von Gesellschaftsunterlagen
- Revision von Gesellschaftsvermögen
- Informationsverlangen sowie Verlangen, Dokumente zu erstellen oder übergeben, insbesondere über die Tätigkeit der Gesellschaft oder die Vermögenslage der Gesellschaft, gerichtet an:
- den Vorstand
- Prokuristen
- Arbeitnehmer, Personen, die aufgrund zivilrechtlicher Verträge eingestellt sind.
Informationen, Dokumente, Berichte oder Erklärungen sind unverzüglich zu übergeben, nicht später jedoch als 2 Wochen ab Anmeldung der Forderung. Dies betrifft auch Informationen, die die Geschäftsführung über abhängige und verbundene Gesellschaften besitzt (die nicht unbedingt eine Gruppe bilden).
- Der Vorstand kann den Zugang zu Informationen, Dokumenten, Berichten und Erklärungen nicht einschränken.
- AR-Mitglieder sollten bedenken, dass das Informationsrecht die Pflicht mit sich bringt, Informationen und Dokumente zu analysieren.
- Das Unterlassen der o.g. Handlungen kann als Nichterfüllung der Sorgfaltspflicht angesehen werden und eine Haftung gegenüber der Gesellschaft auslösen.
Der Berater des Aufsichtsrats
- Der AR kann zu folgenden Zwecken einen Berater berufen:
- Prüfung konkreter Gesellschafts- oder Vermögensangelegenheiten auf Kosten der Gesellschaft oder
- Vorbereitung bestimmter Analysen und Gutachten
- In Verträgen zwischen der Gesellschaft und dem Berater des AR wird die Gesellschaft durch den AR vertreten (früher: keine Möglichkeit der Vertretung ohne den Vorstand).
- Der Vorstand sichert dem Berater Zugang zu Dokumenten und erteilt Informationen.
- Der AR kann Aktionären die Ergebnisse der Arbeit des Beraters offenlegen, es sei denn, der Gesellschaft könnte ein Schaden entstehen.
Pflicht zur Erstellung eines Aufsichtsratsberichts
Der AR ist verpflichtet, einen Bericht über das vergangene Geschäftsjahr zu erstellen (erstmalig für das Geschäftsjahr 2022). Dieser Bericht wird der Aktionärsversammlung vorgelegt.
Minimaler Inhalt des Aufsichtsratsberichts in der AG:
- Ergebnis der Prüfung von Tätigkeitsberichten der Gesellschaft sowie des Jahresabschlusses auf Übereinstimmung mit Büchern, Dokumenten und dem Sachverhalt
- Ergebnis der Prüfung der Anträge des Vorstands auf Gewinnverteilung oder Verlustdeckung
- Beurteilung der Gesellschaftssituation unter Berücksichtigung der Adäquanz und Wirksamkeit der in der Gesellschaft angewandten Compliance-Mittel (Achtung: versteckte Einführung einer Compliance – Pflicht in jeder AG)
- Bewertung der Einhaltung von Informationspflichten durch den Vorstand
- Bewertung der Erstellung bzw. Zurverfügungstellung von Informationen durch den Vorstand an den AR
- Informationen über die Vergütung des Beraters des Aufsichtsrates
Unterliegt der Jahresabschluss der gesetzlichen Prüfungspflicht, hat ein Wirtschaftsprüfer an der AR-Sitzung teilzunehmen. Der AR hat diesen eine Woche im Voraus über Termin der Aufsichtsratssitzung informieren.
Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats
„Ein Geschäft mit einer herrschenden, abhängigen oder verbundenen Gesellschaft, dessen Wert zusammen mit anderen, mit der konkreten Gesellschaft geschlossenen Verträgen im Geschäftsjahr 10% der Summe der Aktiva der Gesellschaft überschreitet, bedarf der Zustimmung des AR, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes.“
Zustimmungsbedürftig ist die letzte, schwellenüberschreitende Transaktion. Vor der Zustimmung zum jeweiligen Geschäft erteilt der Vorstand dem AR u.a. Informationen über:
- den Transaktionsgegenstand
- den Transaktionswert
- Umstände, die die Transaktion im Hinblick auf das Gesellschaftsinteresse als gerechtfertigt erscheinen lassen.
Ohne die Zustimmung ist das Geschäft nichtig, sie darf jedoch nachträglich erteilt werden, spätestens 2 Monate nach Abschluss des Geschäfts. Dies gilt nicht für börsennotierte sowie Gruppengesellschaften. Die Satzung kann das Zustimmungserfordernis ausschließen.
Verschwiegenheitspflicht
Seit dem 13. Oktober 2022 unterliegen AR-Mitglieder der Verschwiegenheitspflicht auch nach Mandatsende.