Rechtliche Achterbahnfahrt mit den polnischen Mediengesellschaften

Es lohnt sich, den seit Ende letzten Jahres andauernden Streit um die öffentlichen Medien in Polen auch von Seiten ihrer Auftragnehmer, Zulieferer und Beschäftigten der Gesellschaften zu betrachten. Seit mehreren Wochen verfolgen die Öffentlichkeit und vor allem Juristen die Ereignisse rund um die öffentlich-rechtlichen Mediengesellschaften. Es ist unmöglich, die gesamte komplexe Situation in einem Presseartikel zusammenzufassen. Es lohnt sich jedoch, sie aus Perspektive der Auftragnehmer, Lieferanten, Dienstleister und auch der Beschäftigten dieser Unternehmen zu betrachten. Wie sieht das Problem aus Sicht eines Unternehmensrechtlers aus?

Worum geht es beim Streit?

Die jüngsten Entwicklungen der rechtlichen Situation der Aktiengesellschaften TVP und Polskie Radio sowie der PAP lassen sich in mindestens zwei Bereiche unterteilen. Das erste Thema sind die Änderungen in den Aufsichtsräten und Vorständen dieser Unternehmen. Das zweite ist die Eröffnung der Liquidation aufgrund  der Auflösungsbeschlüsse der Hauptversammlungen der Gesellschaften. In den Gerichtsverfahren geht es zum einen um die Gültigkeit der Beschlüsse der Hauptversammlungen und der Beschlüsse der neu bestellten Aufsichtsräte und zum anderen um die Eintragung der durch die Beschlüsse hervorgerufenen Änderungen in den Organen sowie Liquidation im polnischen Unternehmerregister (poln. Rejestr Przedsiebiorcow, entspricht dem deutschen Handelsregister).

Beschlüsse der Hauptversammlungen

TVP, Polskie Radio und PAP sind Aktiengesellschaften. Beschlüsse über die Abberufung und Ernennung von Aufsichtsratsmitgliedern wurden von den Hauptversammlungen gefasst. Das Gleiche gilt für die Beschlüsse zur Auflösung der Unternehmen, die ihre Liquidation eingeleitet haben. Änderungen in der Geschäftsführung wurden vermutlich aufgrund von Beschlüssen der Aufsichtsräte vorgenommen. Laut den öffentlich zugänglichen Informationen wurden die Beschlüsse der Hauptversammlungen mit einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage angefochten. Für die Marktteilnehmer ist es wichtig, dass es sich bei einem Nichtigkeitsurteil um ein konstitutives (rechtsgestaltendes) Urteil handelt, das aber ex tunc wirkt. Das bedeutet, dass ein bestehender Hauptversammlungsbeschluss erst durch ein Gerichtsurteil aufgehoben wird, seine Aufhebung aber rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassung gilt. Das Gleiche gilt für ein Urteil, mit dem ein Beschluss für nichtig erklärt wird.

Aus öffentlich zugänglichen Informationen ist bekannt, dass zusammen mit den Klagen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht wurden. Vermutlich zielten die Anträge darauf ab, die Wirkungen von Beschlüssen über Veränderungen in den Organen oder über die Auflösung der Gesellschaften aufzuhalten. Möglicherweise waren sie auch darauf gerichtet, andere Personen als Liquidatoren zu bestellen. Ersten Informationen zufolge wurden die Schutzmaßnahmen nicht gewährt.

Dies bedeutet, dass die Möglichkeit, sich auf die Nichtigkeit der oben genannten Beschlüsse zu berufen, erst mit der Verkündung eines rechtskräftigen Urteils, mit dem der Beschluss für rechtswidrig erklärt wird, wirksam wird. Solange kein Urteil ergeht, das die Beschlüsse für nichtig erklärt oder aufhebt, bleiben sie in Kraft und entfalten Rechtswirkungen.

Eintragung in das Handelsregister

Sowohl Änderungen in der Zusammensetzung der Organe als auch die Eröffnung der Liquidation erfordern eine Handelsregistereintragung für jede Aktiengesellschaft. Aufgrund der geltenden Vorschriften (Art. 23 i.V.m. Art. 17 des Landesgerichtsregistergesetzes) wird davon ausgegangen, dass das Registergericht keine rein technische Funktion ausübt und nicht alle vorgelegten Daten in das geführte Register eintragen muss, nur weil es sich um gesetzlich vorgesehene Daten handelt. Nach überwiegender Auffassung hat das Registergericht die beigefügten Unterlagen zu prüfen und für die Zwecke des durchgeführten Verfahrens festzustellen, dass ein bestimmter Beschluss, der die Grundlage für eine Eintragung bildet, entweder rechtmäßig oder rechtswidrig gefasst wurde, und zwar so, dass er nichtig ist (so das Bezirksgericht Warschau in einem Beitrag vom 11. September 2017, Az. XXIII Ga 907/17 und die dort zitierte Rechtsprechung). Dies ist jedoch keine unumstrittene Ansicht. Als Gegenargument wird angeführt, dass die Aufhebung oder Nichtigerklärung von Hauptversammlungsbeschlüssen in die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte fallen (Art. 17 Nr. 42 ZPO), weshalb der Gesetzgeber der Ansicht war, dass sie aufgrund der Bedeutung und Komplexität der Rechtsmaterie in diesen Fällen nicht der Zuständigkeit der Amtsgerichte unterliegen sollten, die ihrerseits Registergerichte sind.

Es ist allgemein bekannt, dass die Rechtspfleger des Registergerichts sowohl die Anträge auf Eintragung von Änderungen in den Organen, einschließlich der Eintragung von Liquidatoren, als auch die Eintragung der Eröffnung der Liquidation der Aktiengesellschaften TVP und PR selbst abgelehnt haben. Die Bewertung dieser Urteile war bereits und wird wahrscheinlich auch in Zukunft Gegenstand von Überlegungen von Vertretern der Rechtswissenschaft sein. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Folgen dieser Urteile für den wirtschaftlichen Umsatz von Bedeutung. Sie wurden in Form von Entscheidungen von Rechtspflegern erlassen. Gegen eine Entscheidung eines Rechtspflegers kann Berufung eingelegt werden. Wird sie eingelegt, so wird die Entscheidung des Rechtspflegers unwirksam (Artikel 398(22) ZPO), und der Antrag auf Eintragung von Änderungen im Handelsregister selbst wird von Anfang an vom Registergericht als Gericht erster Instanz geprüft. Ist dies der Fall, so entfalten die vorgenannten Entscheidungen der Rechtspflegers keine rechtliche Wirkung.

Was sind die Folgen für Kontrahenten? Zum guten Glauben

Man muss niemanden davon überzeugen, dass die rechtliche Lage kompliziert und ihre Bewertung unter Juristen umstritten ist. Umso schwieriger ist es für diejenigen, die mit den besagten Unternehmen, die ihre Tätigkeit (wenn auch in einem eingeschränkten Liquidationsverfahren) fortsetzen, Verträge aushandeln oder abschließen.

Das Unternehmerregister des Landesgerichtsregisters ist ein öffentliches Register, zu dem alle Marktteilnehmer Zugang haben. Die Bestimmungen, die die Funktionsweise dieses Registers regeln (Artikel 14 und 17 Absatz 1 des Landesgerichtsregistergesetzes), schützen Dritte, die in gutem Glauben und im Vertrauen auf den Inhalt der im Register offengelegten Eintragungen handeln, und geben ihnen so Rechtssicherheit und Gewissheit (Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 12. Februar 2014, Az. IV CSK 361/13). Dies bedeutet, dass eine Rechtshandlung, die von einer Person vorgenommen wird, die im Register noch als Bevollmächtigter der Gesellschaft ausgewiesen ist, aber aufgrund einer Abberufung aus dem Organ bereits rechtlich nicht mehr handlungsfähig ist, nicht wirksam angefochten werden kann – weder von der Gesellschaft noch von ihrer Gegenpartei.

Eine Person, die im Vertrauen auf den Inhalt einer Eintragung handelt, kann nicht schlechter gestellt werden, als wenn der Inhalt der Eintragung der tatsächlichen Sachlage entspräche. Das Gesetz schützt in einem solchen Fall also den guten Glauben der Gegenpartei. Entscheidend ist, wann davon ausgegangen werden kann, dass ein Unternehmen im Vertrauen auf eine Eintragung im Unternehmerregister gutgläubig handelt.

Der Streit über die Zusammensetzung der Organe, einschließlich der Personen, die zur Vertretung der Aktiengesellschaften TVP und Polskie Radio befugt sind, ist ein öffentlich bekannter Streit. Daher muss jedes Unternehmen, das vertragliche Beziehungen mit diesen Gesellschaften eingeht, die durch die derzeit im Handelsregister eingetragenen Vorstände vertreten werden, damit rechnen, dass solche Verträge und die Gutgläubigkeit dieser Unternehmen in Frage gestellt werden. Derjenige (einschließlich des Unternehmens selbst), der geltend machen will, dass das Unternehmen den Vertrag aufgrund falscher Angaben der im Handelsregister aufgeführten Personen fehlerhaft abgeschlossen hat, muss beweisen, dass die Gegenpartei des Unternehmens bösgläubig war. Dies liegt daran, dass im polnischen Privatrecht eine allgemeine Vermutung für die Gutgläubigkeit besteht. Wenn während der Liquidation ein Vertrag mit einer dieser Gesellschaften geschlossen wird, die von Mitgliedern des Vorstands vertreten wird, scheint es keine ausreichende Verteidigung zu sein, sich darauf zu berufen, dass die betreffende Gegenpartei auf die Handelsregistereinträge über den Vorstand und nicht über die Liquidatoren vertraut hat (Urteil des SA in Gdańsk vom 26. April 2018, Az. I AGa 259/18). Der Liquidationsbeginn ist allgemein bekannt und es wird schwierig sein, sich hinter einem Kenntnismangel zu verstecken.

Anders verhält es sich bei Unternehmen, die Verträge mit Gesellschaften abschließen, die durch per Hauptversammlungsbeschluss bestellte Liquidatoren vertreten werden. Wie ich bereits eingangs erwähnt habe, bleiben die Beschlüsse der Hauptversammlung über die Auflösung der Gesellschaft und die Ernennung von Liquidatoren, die die Gesellschaft vertreten, bis zum Erlass eines Urteils, mit dem sie aufgehoben oder für nichtig erklärt werden, im Rechtsverkehr und rechtswirksam. Die Weigerung, sie in das Handelsregister einzutragen, beseitigt sie nicht aus dem Rechtsverkehr. Die Situation könnte nur durch ein Sicherungsmittel geändert werden, das die Vertretung der Gesellschaft betreffen würde.

Aus der Sicht eines Vertragspartners von TVP oder Polskie Radio scheint es daher rechtlich sicherer, mit Gesellschaften, die durch Liquidatoren vertreten werden, Rechtshandlungen vorzunehmen. Dies liegt daran, dass die Beschlüsse über ihre Bestellung nicht aus dem Rechtsverkehr genommen wurden und Rechtswirkungen entfalten. Das bloße Fehlen ihrer Offenlegung im Handelsregister hebt diese Wirkung nicht auf. Andererseits kann die allgemeine Kenntnis von der Eröffnung der Liquidation und der Bestellung der Liquidatoren ein wirksames Argument für die fehlende Gutgläubigkeit von Unternehmen sein, die Verträge mit den Gesellschaften abschließen, die von den (noch) im Handelsregister offengelegten Vorstandsmitgliedern vertreten werden.