Vertragsstrafen bei vergaberechtlichen Infrastrukturinvestitionen – Bericht / Teil II
Schlussfolgerungen
Die durch uns durchgeführte Umfrage führt zu dem folgenden Ergebnis:
- Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Höhe der durch Auftraggeber vorbehaltenen Vertragsstrafen und den Preisen der Auftragnehmer und als Konsequenz den Kosten, die der Auftraggeber bei der Durchführung von Projekten zu tragen hat. Fast 80% der Befragten gaben an, dass sie bei der Kalkulation des Angebotspreises die Höhe der durch den Auftraggeber vorgesehenen Vertragsstrafen sowie den Katalog der Vertragsstrafen berücksichtigen.
- Auftragnehmer, Lieferanten und Dienstleister bewerten die aktuelle Praxis öffentlicher Auftraggeber bei Anwendung und Vollstreckung von Vertragsstrafen negativ. Dies gilt für alle Sektoren (Straßenbau, Bahn, Gas, Energie) gleichermaßen. Fast 45 % der Befragten sind der Meinung, dass die derzeit verbreitete Art und Weise der Anwendung sowie der Vollstreckung von Vertragsstrafen zu einem deutlichen Vorteil für den Auftraggeber führt.
- Die Höhe der angewandten Vertragsstrafen ist im Verhältnis zu den tatsächlichen Auswirkungen eventueller mangelhafter Handlungen von Auftraggebern sowie im Hinblick auf den Einfluss dieser Handlungen auf die Realisierung der Investition inadäquat.
- Beispielsweise geben 97% der Befragten an, dass öffentliche Auftraggeber Vertragsstrafen für den Verzug bei der Ausführung von Arbeitsetappen oder die Beseitigung einzelner Mängel vorsehen, bei der Berechnung dieser Strafen jedoch den gesamten Vertragswert und nicht den Wert einzelner Etappen oder Mängel zugrunde legen. Die Vertragsstrafen sind dadurch überhöht und bereits zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung unproportional.
- Fehlende Obergrenzen für bis zum 01.01.2021 vereinbarte Vertragsstrafen führten zur Geltendmachung von im Vergleich zu den Folgen der Vertragsverletzungen krass überhöhten Vertragsstrafen. Die neuen vergaberechtlichen Vorschriften konnten dieses Problem nur zum Teil lösen.
- Auffällig ist die fehlende Symmetrie in den Regelungen der vorbehaltenen Vertragsstrafen. Fast 50% der Befragten haben auf in der Praxis verwendete Verträge hingewiesen, in denen öffentliche Auftraggeber selbst dann keine Vertragsstrafen zahlen müssen, wenn sie grundsätzliche vertragliche Pflichten nicht erfüllen oder im Falle des durch sie zu vertretenden Rücktritts vom Vertrag.
- Negativ zu bewerten ist die Tatsache, dass die Kataloge von gegenüber Auftragnehmern und Dienstleistern auferlegten Vertragsstrafen ständig erweitert werden und Strafen vereinbart werden, die sich teilweise überschneiden. Die Verträge enthalten unklare und unpräzise Beschreibungen von Fällen, in denen Vertragsstrafen greifen, was eine Risikobewertung sowie eine Abwehr der Strafen seitens der Aufragnehmer erschwert.
- Auf der Etappe der Auftragsvergabe werden Vorschläge und Bitten von Auftragnehmern zur Rationalisierung der Höhe von Vertragsstrafen oder Präzisierung der sie regelnden vertraglichen Bestimmungen nicht berücksichtigt. Laut Aussage von nahezu 70% der Befragten haben Auftragnehmer keinerlei oder nur minimalen Einfluss auf die Höhe und den Katalog der durch Auftraggeber vorgesehenen Vertragsstrafen.
Handlungsvorschläge
Laut den Autoren erlauben die im Bericht gesammelten Daten und Schlussfolgerungen die Formulierung der folgenden Verbesserungsvorschläge:
Als Erstes ist die Erstellung eines Verhaltenskodex im Bereich vergaberechtlicher Vertragsstrafen (mit Unterteilung in Branchen und Sektoren) sinnvoll. Die Ausarbeitung eines solchen Dokuments sollte im Rahmen eines Dialogs zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern erfolgen und die berechtigten Interessen beider Parteien sowie die Effektivität der Durchführung von Vergabeverfahren berücksichtigen. Eine wichtige Rolle bei der Initiierung der Erstellung eines solchen Verhaltenskodex könnte der Präsident des Vergabeamtes spielen, zu dessen Kompetenzen unter anderem die Vorbereitung und Verbreitung von Vertragsmustern und anderen Standards im Rahmen von Vergabeverfahren zählt (Art. 469 Nr. 7 poln. Vergabegesetz). Mögliche Alternativlösung ist die Einführung von Standards für bereits existierende und branchenspezifisch erstellte Verhaltenskodexe, die das Verhältnis zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern regeln.
Zum zweiten ist im Hinblick auf den vorliegenden Bericht die Präzisierung der Vorschriften des neuen Vergaberechts im Bereich der Pflicht zur Festlegung von Obergrenzen für Vertragsstrafen sinnvoll. Anstatt der aktuellen Regelung, laut deren Auftraggeber diese Grenze beliebig festlegen können, sollte die maximale Höhe von Vertragsstrafen 20 % des Nettovertragswerts betragen.