5 Jahre nach COVID-19 – die Pandemie in Rechtsprechung und Gesetz
Vor fünf Jahren, am 13. März 2020, wurden in Polen durch einen Erlass des Gesundheitsministers wegen des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie der epidemiologische Notstand und eine erste Reihe schwerwiegender Einschränkungen verhängt.
Nach dieser relativ kurzen Zeit für die Gerichtspraxis ist es bereits möglich, auf der Grundlage der Rechtsprechung und der Vorgaben des Gesetzgebers erste einschlägige Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, wie man versuchen kann, weitere solche unvorhersehbaren Ereignisse zu schützen und darauf zu reagieren.
Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Rechtsprechung
Das Thema COVID-19 war in den letzten 5 Jahren Gegenstand zahlreicher Urteile der ordentlichen Gerichte. In diesem Zusammenhang sollte einigen wichtigen Fragen, die von der Rechtsprechung am häufigsten behandelt wurden, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, nämlich der Auslegung der COVID-19-Pandemie im Zusammenhang mit:
1. der außergewöhnlichen Änderung der Umstände (Art. 357 (1) des poln. Zivilgesetzbuches, ZGB),
2. der sich daraus ergebenden Unmöglichkeit der Erfüllung (Art. 475 ZGB),
3. Verzug des Schuldners (Art. 476 ZGB)
4. und höhere Gewalt, die die Verjährung hemmt (Art. 121 Abs. 4 ZGB).
COVID-19-Pandemie und die außergewöhnliche Veränderung der Umstände
Die grundlegende und wichtigste Frage, mit der sich die Gerichte befassten, war, ob die COVID-19-Pandemie als außergewöhnliches Ereignis im Sinne von Artikel 3571 ZGB eingestuft werden kann.
Die Rechtsprechung, die sich bereits nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie entwickelt hatte, bestätigte im Prinzip diese Möglichkeit: „Es besteht kein Zweifel daran, dass die Zeit der Pandemie und die damit verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Hindernisse für die Ausübung der Geschäftstätigkeit grundsätzlich als ‚außerordentliche Änderung der Verhältnisse‘ im Sinne von Artikel 3571 ZGB qualifiziert werden können.“ (Beschluss des Obersten Gerichts vom 25.04.2024, III czp 52/23).
Die Möglichkeit für den Obersten Gerichtshof, relativ schnell Stellung zu nehmen, ergab sich aus der vom Berufungsgericht in Warschau im September 2023 vorgelegten Rechtsfrage im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Gesetzes vom 2. März 2020 über Sonderlösungen im Zusammenhang mit der Vorbeugung, Verhütung und Bekämpfung von COVID-19, anderen Infektionskrankheiten und dadurch verursachten Krisensituationen (sog. Krisenschutzschild). Die Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts in dieser Rechtssache wurde am 28. Juni 2022 wegen der Verpflichtung zur Zahlung der einbehaltenen Vergütungen an die in Artikel 15l Absatz 1 Nummer 1 des Krisenschutzschilds genannten Organisationen für Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte eingelegt.
Der Oberste Gerichtshof berücksichtigte, dass die Einbehaltung dieser Gehälter nicht von der Pflicht zur Zahlung dieser Gehälter entbindet, jedoch kann eine Freistellung auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung auf der Grundlage von Artikel 3571 ZGB erfolgen.
Entwicklung der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung der Gerichte hat sich jedoch im Laufe der Jahre von einer relativ offenen und einfachen Auslegung der COVID-19-Pandemie als außergewöhnliche Änderung der Umstände durch Hinzufügung zusätzlicher Bedingungen bis hin zu der Erkenntnis entwickelt, dass das bloße Auftreten einer Pandemie während des Zeitraums der Erfüllung einer Verpflichtung nicht die Anwendung von Artikel 3571 ZGB rechtfertigen kann – die zusätzlichen Bedingungen müssen berücksichtigt werden.
Weniger als ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie in Polen hat ein Unternehmer in der Rechtssache XXVI GCo 269/20 ein Antrag auf Sicherheitsleistung für die Höhe der Miete gestellt, da sein Betrieb im Januar 2021 aufgrund von verwaltungsrechtlichen Betriebsverboten vorübergehend geschlossen werden musste. Das Warschauer Bezirksgericht wie folgt Stellung genommen: „Es besteht kein Zweifel daran, dass das Auftreten der COVID-19-Pandemie und die damit verbundene Ausrufung des Epidemiezustands durch die staatlichen Behörden eine außergewöhnliche Änderung der Umstände im Sinne von Art. 357 Abs. 1 ZGB verursacht hat. In Anbetracht des Datums, an dem die Parteien den Mietvertrag abgeschlossen haben (9. November 2015), ist klar, dass sie die Auswirkungen, die die Änderung der Umstände im Zusammenhang mit der Epidemie auf dieses Rechtsverhältnis haben würde, nicht vorhersehen konnten. An dieser Einschätzung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Parteien am 21. September 2020 einen Nachtrag zu diesem Vertrag geschlossen haben. In diesem Zusammenhang teilt das Gericht nicht den Standpunkt des Verpflichteten, dass sich die berechtigte Partei nicht erfolgreich auf die Klausel des rebus sic stantibus berufen kann, da dieser Nachtrag während der Pandemie geschlossen wurde“.
Das Gericht wies daher darauf hin, dass für die Einstufung der COVID-19-Pandemie als außergewöhnliche Änderung der Verhältnisse in erster Linie der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entscheidend ist – er muss unbedingt vor dem Ausbruch der Pandemie erfolgt sein.
Die obige Argumentation wurde unter anderem im Urteil des Landgerichts Warschau vom 7.12.2021, Az. XVI GC 573/21, wiedergegeben, in dem der Kläger (Unternehmer) die Beendigung des am 21. Februar 2019 geschlossenen Mietvertrags begehrte: „[D]as durch den Kläger genannte Ereignis in Form des Auftretens einer Coronavirus-Pandemie sowie die Ausrufung des epidemischen Zustands durch die staatliche Behörde gehören zu solchen Phänomenen. Ein Ereignis sozialer Art wie eine Pandemie, das in der oben zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs erwähnt wird, gehört zu den Ereignissen, die ungewöhnlich und außergewöhnlich sind und von den Parteien bei Vertragsabschluss vor dem Auftreten der Pandemie auch nicht vorhergesehen werden konnten.“
Auf der Website des Justizministeriums gibt an, dass das erste Urteil mit dem COVID-Schlüsselwort chronologisch bereits am 28. April 2020 erschienen ist. (Bezirksgericht in Warschau, II C 1003/18). Es ging um einen Antrag auf Sicherheitsleistung für die Rückzahlung eines Darlehens aus dem Jahr 2008. Kläger war ein Finanzvermittler, der u.a. aufgrund der COVID-Beschränkungen die Möglichkeit verlor, Einnahmen zu erzielen.
Die Schlüsselrolle zusätzlicher Bedingungen
In der Folgezeit hat sich die Rechtsprechung geändert und die Gerichte haben begonnen, zusätzlichen Bedingungen, die die Leistung der Parteien betreffen (über den Zeitpunkt des eigentlichen Vertragsabschlusses hinaus), mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
In diesem Zusammenhang erscheint die Entscheidung des Berufungsgerichts in Warschau vom 25.05.2022, Az. VII AGa 1100/21, in der die Klägerin in erster Instanz im Oktober 2020 beantragte, die Verpflichtung zur Anmietung von Gewerberäumen aus dem Mietvertrag vom Dezember 2013 ab dem 1. November 2020 bis zum Zeitpunkt der Beendigung des epidemischen Notstands auf dem Gebiet der Republik Polen zu markieren, als entscheidend.
In der oben genannten Rechtssache teilte das Berufungsgericht die Argumente des Klägers hinsichtlich der Auswirkungen der Pandemie auf das Mietverhältnis nicht und stellte fest: „Das bloße Ereignis der Ausrufung eines epidemischen Notstands im Zusammenhang mit der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus ist außergewöhnlich, aber dies bedeutet nicht per se, dass es eine Änderung der Beziehungen im Sinne von Art. 3571 § 1 ZGB verursacht. Die Ausrufung eines epidemischen Zustands im Zusammenhang mit Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus ist eine Folge von Gesetzesänderungen überraschender Natur, aber ob dieser Ausnahmezustand die Situation der Parteien eines Vertragsverhältnisses unmittelbar und erheblich beeinflusst hat, wird im konkreten Sachverhalt beurteilt. Für die Beurteilung der Anwendbarkeit von Art. 357[1] § 1 ZGB ist nicht nur die Art des Ereignisses selbst von Bedeutung, sondern auch die Art seiner tatsächlichen Auswirkungen im Rahmen des gesetzlichen Begriffs der außergewöhnlichen Änderung der Umstände.“
Das Gericht war der Ansicht, dass
o der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, dass sich die finanzielle Lage des Unternehmens so verschlechtert hat, dass ein drastischer Verlust gerechtfertigt ist,
o dies nicht in ausreichendem Zusammenhang mit den verwaltungsrechtlichen Beschränkungen der Geschäftstätigkeit steht.
„Um davon ausgehen zu können, dass das außergewöhnliche Ereignis in Gestalt des epidemischen Zustands im Zusammenhang mit den SARS-CoV-2-Virusinfektionen, eine Änderung der Umstände (deren Umwandlung) verursacht und damit tatsächliche Wirkungen im Rahmen des gesetzlichen Begriffs der außergewöhnlichen Änderung der Umstände hervorgerufen hat, wie es Art. 357 Abs. 1 § 1 ZGB regelt, müsste das angefochtene Urteil – in Übereinstimmung mit den rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Gerichts – Tatsachen feststellen, aus denen sich ergibt, wie sich die (vom erstinstanzlichen Gericht genannten) Handelsbeschränkungen und die (vom Landgericht nicht weiter festgestellten) Hygienevorschriften auch nach dem 4. Mai 2020 und bis zum Erlass des Urteils auf das Verhalten der Kunden von c. (…) ausgewirkt haben und wie sich eine solche Tatsache in einer Änderung der Beziehungen zwischen den Parteien niederschlägt.“
Einen ähnlichen Standpunkt vertrat das Landgericht Warschau in seinem Urteil vom 11.01.2023, Az. XVI GC 1097/20 (ebenfalls auf der Grundlage des vom Unternehmer abgeschlossenen Mietvertrags), indem es feststellte, dass beim Nachweis der Auswirkungen der Pandemie auf das Schuldverhältnis Fragen wie öffentliche Beihilfen, die das Unternehmen erhalten hat, oder die finanzielle Situation des gesamten Unternehmens relevant sind: „Nach Auffassung des Gerichts besteht keine Grundlage für die Annahme, dass die Klägerin eine unbillige Härte bei der Erbringung der Leistung oder einen drohenden groben Schaden für eine der Parteien nachgewiesen hat. Die Klägerin hat in keiner Weise ihre finanzielle Situation dokumentiert, die durch das Prisma der finanziellen Lage des gesamten Unternehmens und nicht eines einzelnen Punktes (Räumlichkeiten) zu beurteilen ist, während sie gleichzeitig erhebliche staatliche Beihilfen erhalten hat, um u. a. ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können.“ (Urteil des Landgerichts in Warschau vom 11.01.2023, XVI GC 1097/20).
Zusammenfassend sind die ordentlichen Gerichte der Ansicht, dass die Partei, die sich auf die COVID-19-Pandemie beruft, nicht nur das bloße Auftreten der Pandemie während der Laufzeit des Vertrags geltend machen, sondern auch nachweisen muss, dass sie ein außergewöhnliches Ereignis im Sinne von Art. 357 Abs. 1 ZGB darstellt und:
- das Auftreten der COVID-19-Pandemie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar war,
- die Auswirkungen der Pandemie (z. B. behördliche Beschränkungen, verändertes Verhalten der Öffentlichkeit und der Marktteilnehmer) eine überraschende und erhebliche Auswirkung auf das Vertragsverhältnis gehabt haben,
- ein Leistungserschwernis vorlag, das auch unter Berücksichtigung der erhaltenen öffentlichen Unterstützung nicht beseitigt werden konnte.
Die oben genannten Bedingungen haben sich messbar auf den Umfang der Unterlagen ausgewirkt, die zur Vorbereitung einer erfolgreichen Klage auf der Grundlage Art. 357[1] ZGB für Ansprüche im Zusammenhang mit COVID-19 erforderlich sind. Für den Fall, dass in der Zukunft ähnliche außergewöhnliche Ereignisse eintreten, kann die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entwickelte Rechtsprechung für Unternehmer ein wertvoller Hinweis sein, um zu beurteilen, ob in einer bestimmten Situation Art. 3571 ZGB eine geeignete Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes darstellt (es sei daran erinnert, dass Mietverträge bestimmte Merkmale aufweisen, die in anderen Vertragsarten nicht immer in gleicher Weise vorkommen).
Bei der Erstellung einer möglichen Klage auf gerichtliche Vertragsänderung nach Eintritt eines außergewöhnlichen Ereignisses müssen – neben der Berufung auf den Eintritt des Ereignisses selbst – zusätzliche Umstände berücksichtigt werden, wie die mögliche Höhe der erhaltenen öffentlichen Beihilfen oder eine allgemeine Änderung der sozialen und wirtschaftlichen Umstände. Für die Arbeit an der Klage sollte der Unternehmer relevante Finanzunterlagen (Berichte, Rechnungen, Auszüge aus den Finanzbüchern des Unternehmens) sammeln und sorgfältig auswählen, die die spezifischen Auswirkungen des Ereignisses auf den Umsatz des gesamten Unternehmens belegen. Die Klage sollte auch eine eingehende Analyse der Auswirkungen des Ereignisses auf die Vertragserfüllung enthalten, da die Rechtsprechung zeigt, dass deren Umfang und Gründlichkeit das Gericht dazu veranlassen kann, die Argumentation des Klägers zu teilen.
Es ist daher wünschenswert, dass Unternehmer bereits in der vorprozessualen Phase bestimmte Unterlagen sorgfältig sammeln, um die Chancen zu erhöhen, das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 357 Abs. 1 ZGB erfolgreich nachzuweisen.
COVID-19 Pandemie und Verzug bei der Erfüllung einer Verpflichtung
Eine weitere Frage, die in der Rechtsprechung behandelt wurde, war, ob das Auftreten der COVID-19-Pandemie ein mildernder Umstand beim Auftreten einer daraus resultierenden Unmöglichkeit der Leistung (Art. ZGB), eines Verzugs des Schuldners bei der Erfüllung einer Verpflichtung (Art. 476 ZGB) sein kann und ob sie als höhere Gewalt angesehen werden kann, deren Auftreten die Aussetzung der Verjährungsfristen für Forderungen rechtfertigt (Art. 121 Abs. 4 ZGB).
Die in diesem Zusammenhang im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie gewonnenen Rechtsauffassungen können als Wegweiser bei der Behandlung eines Zahlungsverzugs im Zusammenhang mit ähnlichen Notfällen dienen und somit Unternehmern ermöglichen, in Notfällen unternehmerische Entscheidungen zu treffen.
Im Urteil des Landgerichts Kielce vom 8.10.2024, Az. II Ca 928/24, machte der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung von 63.677,20 PLN geltend. Er leitete seine Forderung aus dem im April 2016 geschlossenen Mietvertrag ab, in dem eine monatliche Miete von ca. 10.000 PLN in der Sommersaison und 1.100 PLN außerhalb der Sommersaison vereinbart wurde. Der Kläger gab an, dass der Beklagte die Gebühren für die Monate Februar bis Dezember 2021 nicht gezahlt habe (d. h. das „zweite“ Kalenderjahr mit COVID). Die Beklagte bestritt nicht ihre Haftung, sondern nur den geforderten Betrag, und berief sich darauf, dass sie aufgrund der im Zusammenhang mit COVID auferlegten Beschränkungen nicht auf dem gepachteten Grundstück tätig sein könne. In der Widerklage beantragte die Beklagte, das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien gemäß Artikel 3571 § 1 ZGB dahingehend zu gestalten, dass der Mietzins für die Monate April, Mai, Juni, Juli, August und September 2021 1.543,92 PLN beträgt.
Das Landgericht (das den Fall in zweiter Instanz entschied) folgte der Argumentation der Beklagten (Widerklägerin) nicht und wies darauf hin, dass: „der Zustand der ‚Verpflichtung‘, die Sache zum Gebrauch und Nutzen zu überlassen, fortbesteht. Selbst wenn man davon ausginge (wofür es allerdings keine Grundlage gibt), dass die „Beschränkungen“ der wirtschaftlichen Tätigkeit aufgrund eines epidemischen Notstands oder eines Seuchenzustands grundsätzlich für die Beantwortung der Frage nach der Möglichkeit der Erbringung einer Leistung durch den Vermieter an den Mieter relevant sein sollten, gäbe es jedenfalls nach den (in der Berufung nicht angegriffenen) Feststellungen des Landgerichts keine Grundlage für die Annahme einer solchen Unmöglichkeit, da sich herausgestellt habe, dass diese Tätigkeiten (in dem von den Grenzen der beiden streitigen Klagen erfassten Zeitraum) von der Beklagten – auf dem Grundstück – grundsätzlich ausgeübt worden seien, da sie daraus ein messbares und greifbares Einkommen erzielt habe“.
Es sei daher darauf hingewiesen, dass zum Nachweis der Unmöglichkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht nur das bloße Auftreten des Hindernisses, sondern auch seine Auswirkungen auf die Betriebsunterbrechung und die dadurch entstandenen finanziellen Verluste konkretisiert werden mussten.
Das Urteil des Landgerichts Olsztyn vom 12.05.2023, Az. IX Ca 213/23, betraf wiederum den Verzug des Schuldners bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit und die Vertragsstrafe aus diesem Grund und betraf zwei Fälle, die der gemeinsamen Prüfung unterzogen wurden:
- die Sache der Klägerin auf Zahlung eines Schadensersatzes für den Verzug des Beklagten bei der Übertragung des Eigentums an der Wohnung gemäß dem von den Parteien am 8. Mai 2020 geschlossenen Kaufvorvertrag,
- die Sache zweier Kläger auf Zahlung einer Vertragsstrafe für den Verzug der Beklagten bei der Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit Tiefgaragen nebst baulichen Anlagen sowie bei der Abtrennung einer Wohneinheit zugunsten der Kläger und deren Eigentumsübertragung gemäß dem von den Parteien am 2. März 2020 geschlossenen Kaufvorvertrag.
Nach Angaben des Beklagten (des Bauträgers) wurden die genannten Fristen aufgrund der COVID-Pandemie nicht eingehalten, die den ordnungsgemäßen Betrieb des Unternehmens und den Fortschritt der Bauarbeiten behinderte.
Das Landgericht (als Gericht zweiter Instanz) hat in den oben genannten Fällen unterschiedlich entschieden, wobei es jeweils auf das Datum des Vertragsabschlusses abgestellt hat:
- „Nach Auffassung des Landgerichts konnte die Beklagte bei Abschluss des Bauträgervertrags und des Kaufvorvertrags am 2. März 2020, in dem sie sich verpflichtete, den Klägern das Eigentum an den Grundstücken bis zum 31. Dezember 2020 zu übertragen, noch nicht absehen, dass sich die Planungsarbeiten wegen fehlender rechtlich erforderlicher Zustimmungen Dritter zur Realisierung des Stromanschlusses so lange hinziehen würden, dass es zu einer Verzögerung bei der Umsetzung des Gesamtprojekts kommen würde und der für spätestens 31. Dezember 2020 gesetzte Termin für die Übergabe der Grundstücke an die Erwerber überschritten werden würde. Die Beklagte konnte auch nicht vorhersehen, dass ein epidemischer Notstand und später ein epidemischer Zustand im Lande eintreten würde.“
- „Der Beklagte schloss den Bauträgervertrag und den Vorvertrag mit dem Kläger am 8. Mai 2020, also mehr als zwei Monate, nachdem er den Vertrag mit den Klägern Ź. F. und A. P. Nach Auffassung des Landgerichts war dem Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger J. M. bereits bewusst, dass die Frist für die Übertragung des Eigentums an den Grundstücken bis zum 31. Dezember 2020 möglicherweise nicht eingehalten werden konnte. Der Vertrag wurde nach der Einführung der epidemischen Bedrohung (und später des epidemischen Notstands) im Land während der laufenden Abriegelung geschlossen. Da der Beklagte argumentiert, dass die Verzögerungen bei der Vertragserfüllung durch die Einführung des epidemischen Notstands und den Zustand der Epidemien (wenn auch nach Ansicht des Gerichts von begrenzter Relevanz) verursacht wurden, hätte der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die potenziellen Schwierigkeiten, die sich aus dem Lockdown ergaben, und damit die Verzögerungen bereits vorhersehen können.“
Die oben genannten Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen daher, dass bei der Nichterfüllung einer Verbindlichkeit und dem Schuldnerverzug wegen der der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (die fehlende Vorhersehbarkeit des Ausbruchs der Pandemie oder ihrer Folgen) sowie der Einfluss konkreter Einschränkungen auf die Möglichkeit der Leistungserbringung haben. Daher kann der Inhalt der Präambeln von Verträgen, die in Zeiten außergewöhnlicher Umstände geschlossen werden, relevant werden.
In Bezug auf die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen ist hinzuzufügen, dass die COVID-19-Pandemie nach der Rechtsprechung und Lehre der letzten fünf Jahre als Ereignis höherer Gewalt angesehen wird und die Verjährungsfristen unterbricht, allerdings nur unter genau festgelegten Bedingungen, d. h. nur während des Anfangszeitraums (13. März 2020 bis 15. Mai 2020) und wenn nachgewiesen wird, dass eine Partei aufgrund der Auswirkungen der Pandemie nicht in der Lage ist, ihre Forderungen zu verfolgen.
„Der Zustand der epidemischen Bedrohung und der in Polen ausgerufene Epidemiezustand rechtfertigen nicht die Hemmung der Verjährung. Die COVID-19-Epidemie war ein außerordentliches, äußeres Ereignis, das nicht vorhergesehen wurde und nicht wirksam verhindert werden konnte, ein Hindernis allgemeiner Art, unabhängig vom Willen des Gerichts und der Parteien, und es ist daher möglich, wenn auch für die Anerkennung des Falles nicht erforderlich, anzuerkennen, dass es die Merkmale höherer Gewalt im Sinne von Artikel 121 Absatz 4 ZGB erschöpfte. Dies gilt für die ersten Wochen der Pandemie, d. h. für den Zeitraum ab dem 13. März 2020. (Datum der Ausrufung des epidemischen Notstands und der Verhängung strenger gesellschaftlicher Beschränkungen) bis zum 15. Mai 2020. (Datum des Wegfalls des Grundes für die Aussetzung der gerichtlichen Fristen und der Liberalisierung der sogenannten Beschränkungen).
Art. 121 Abs. 4 ZBG setzt jedoch, um eine Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist zu bewirken, das Vorliegen einer solchen höheren Gewalt voraus, deren Auswirkung (verba legis „wegen“) die Unmöglichkeit ist, Ansprüche vor Gericht geltend zu machen. Um die Hemmung des Laufs der Fristen auf Grundlage von Art. 121 Abs. 4 ZGB geltend zu machen, muss nachgewiesen werden, dass ein bestimmter Rechtsträger in einer bestimmten Situation keinen wirksamen Schutz seiner Rechte vor den Gerichten erhalten konnte.“(Urteil des Appellationsgerichts in Szczecin vom 13.10.2023, I AGa 74/23).
„In der Literatur wird der Standpunkt vertreten, dass mit der Erklärung des epidemischen Zustands auf dem Gebiet der Republik Polen im Zusammenhang mit dem Virus SARS-CoV-2, d.h. ab dem 20.3.2020, der Lauf der Verjährungsfristen für vermögensrechtliche Ansprüche ipso jure, d.h. von rechts wegen unterbrochen wurde. Die Angemessenheit dieser Auffassung wird durch die These gerechtfertigt, dass die Lehre auf der Grundlage von Art. 121 ZGB höhere Gewalt als „außerordentliches, äußeres Ereignis, das nicht verhindert werden kann“ versteht, und die Rechtsprechung verlangt, dass das in Art. 121 Abs. 4 des Zivilgesetzbuches genannte Hindernis, das den Beginn der Verjährungsfrist verhindert oder die Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist verursacht, „ein Hindernis allgemeiner Art“ sein muss.(m. Rzewuski [in:] m. Załucki (Hrsg.), Zivilgesetzbuch. Commentary. 4. Aufl., Warschau 2024, Art. 121 Nr. 6).
Wie das erstinstanzliche Gericht zu Recht betonte, war die COVID-19-Pandemie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Annexes kein plötzliches und unvorhersehbares Ereignis mehr. Zweitens muss höhere Gewalt es zumindest einer der Parteien unmöglich machen, ihre Pflicht zu erfüllen“ (Urteil des SA in Krakau vom 15.06.2023, I ACa 537/22).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Ereignis wie die COVID-19-Pandemie für einen Unternehmer unter dem Gesichtspunkt der Unmöglichkeit der Leistung, der Verzögerung der Leistung oder der Hemmung der Verjährung grundsätzlich einen relevanten Umstand darstellen kann. In einem möglichen Rechtsstreit muss jedoch Folgendes nachgewiesen werden:
- die Auswirkung spezifischer pandemiebezogener Beschränkungen/Vorschriften auf die Unmöglichkeit oder nicht rechtzeitige Erfüllung der Verpflichtung,
- die Unmöglichkeit, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags /der Festlegung seiner Bedingungen die Umstände im Zusammenhang mit COVID-19 vorherzusehen,
- der Nachweis der Auswirkungen der Pandemie auf die fristgerechte Erfüllung der Pflicht/der gerichtlichen Frist für die Wiedergutmachung in einer auf das konkrete Rechtsverhältnis und die konkrete Situation zugeschnittenen Weise (die Rechtsprechung zeigt, dass die Chancen auf einen Prozess umso größer sind, je genauer er definiert ist).
Änderungen im Zivilverfahren
Die COVID-19-Pandemie und die daraus resultierende Anpassung der Gesetzgebung brachten eine Reihe von Änderungen und somit Auswirkungen auf Zivilverfahren mit sich. Diese Änderungen waren größtenteils auf die Umsetzung der Bestimmungen des Krisenschutzschilds zurückzuführen, mit denen unter anderem Folgendes eingeführt wurde:
- die Aussetzung verfahrensrechtlicher und gerichtlicher Fristen während des drohenden epidemischen Notstands oder eines aufgrund von COVID-19 ausgerufenen epidemischen Zustands (Art.15 zzs Krisenschutzschild),
- die Durchführung einer Gerichtsverhandlung oder einer öffentlichen Anhörung mittels technischer Vorrichtungen, die eine Fernverhandlung mit gleichzeitiger direkter Bild- und Tonübertragung ermöglichen (Art. 15 zzs[1](1)(1)-(3) Krisenschutzschild),
- die Verhandlung von Zivilsachen in erster und zweiter Instanz durch einen Einzelrichter (Art. 15 zzs[1](1)(4) Krisenschutzschild),
- die Möglichkeit, eine Verhandlung zu schließen und eine Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung zu fällen, nachdem die Beweise vollständig aufgenommen und die schriftlichen Stellungnahmen der Parteien oder der Verfahrensbeteiligten entgegengenommen wurden (Art. 15 zzs[2] Krisenschutzschild),
die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Bestimmung über die Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung (Art. 15 zzs[3] Krisenschutzschild).
Die Bestimmungen des Krisenschutzschildes wurden nach und nach aufgehoben, als sich die epidemiologische Situation im Lande änderte und die sich daraus ergebenden Änderungen an anderen Gesetzen eingeführt wurden. Mit dem Gesetz vom 7. Juli 2023 zur Änderung der Zivilprozessordnung, des Gesetzes über das System der ordentlichen Gerichte, der Strafprozessordnung und einiger anderer Gesetze (GBl. 2023, Pos. 1860) wurden unter anderem die Artikel 15zzs[1] und 15 zzs[2] des Krisenschutzschildes aufgehoben und gleichzeitig (hauptsächlich in der Zivilprozessordnung) dauerhaft solche Lösungen eingeführt wie:
- die Verpflichtung für Rechtsanwälte, ein Konto im Informationsportal zu haben (Art. 37d des Rechtsanwaltsgesetzes und Art. 22[11] des Rechtsberatergesetzes),
- die Zustellung von Schreiben über das Informationsportal (Art. 131[1a] der Zivilprozessordnung),
- Fernanhörungen (geänderter Artikel 151 der Zivilprozessordnung),
- die Durchführung von Mediationen aus der Ferne (geänderter Art. 183[11] der Zivilprozessordnung),
- die Beweisaufnahme aus der Ferne in einer Fernsitzung (geänderter Art. 235 der Zivilprozessordnung),
- die Möglichkeit, Sachverständigenverfahren aus der Ferne durchzuführen (geänderter Art. 289 der Zivilprozessordnung),
- die Ausweitung des Anwendungsbereichs von Rechtssachen, die von einem Einzelrichter verhandelt werden (u.a. Änderung von Art. 367[1] der Zivilprozessordnung).
Es lässt sich feststellen, dass der Epidemiezustand in Polen und die damit verbundenen Lösungen bestimmte Aspekte des Zivilprozesses nachhaltig verändert haben – insbesondere im Hinblick auf den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel (einschließlich der Durchführung von Fernverhandlungen), die Durchführung von Beweisverfahren und die Spruchkörper.
Zusammenfassung
In den letzten fünf Jahren hat sich eine Rechtsprechung zur Auslegung des Phänomens der COVID-19-Pandemie im Zusammenhang mit den zivilrechtlichen Begriffen der außergewöhnlichen Veränderung der Verhältnisse und der höheren Gewalt herausgebildet. Obwohl seit dem Ausbruch der Pandemie mehrere Jahre vergangen sind, bleibt das Thema aktuell und wird in der nächsten Zeit von der Rechtsprechung und der Lehre weiter behandelt werden. Es ist festzustellen, dass sich ein Großteil der nach Ausbruch der Pandemie eingeleiteten zivilrechtlichen Verfahren noch in einem relativ frühen Stadium befindet (erstinstanzliches Verfahren), was bedeutet, dass sie noch Gegenstand von Entscheidungen der Berufungsgerichte und des Obersten Gerichtshofs sein werden.
Es gab jedoch bereits mehrere wichtige Urteile in dieser Phase (einschließlich eines Beschlusses des Obersten Gerichtshofs), die Unternehmen helfen können, sich auf weitere unvorhersehbare pandemieartige Ereignisse vorzubereiten (oder sich dagegen zu verteidigen) und Ansprüche im Zusammenhang mit deren Auftreten geltend zu machen.
Vor dem Hintergrund der von der Rechtsprechung bereits entwickelten Standpunkte scheint eine äußerst wichtige Lehre für die Zukunft aus der Sicht der Marktteilnehmer die Notwendigkeit zu sein, geeignete vertragliche Bestimmungen für den Fall höherer Gewalt aufzunehmen, die die Vertragserfüllung erheblich behindern oder zunichte machen kann, und in der Phase der Vertragsausführung den Verlauf sorgfältig und gewissenhaft zu dokumentieren.
Bei der Bearbeitung von Rechtsstreitigkeiten, bei denen es um Ansprüche im Zusammenhang mit COVID-19 ging, mussten die Höhe der erhaltenen öffentlichen Beihilfen, die Veränderungen der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen sowie eine Analyse der Auswirkungen von COVID-19 auf die finanzielle Lage des gesamten Unternehmens berücksichtigt werden. Diese Analyse sollte durch sorgfältig gesammelte und ausgewählte Finanzunterlagen untermauert werden, deren Inhalt – zusammen mit einer eingehenden rechtlichen Analyse – dem Unternehmer eine Chance gab, den Prozess zu gewinnen. Ähnliche Anforderungen werden höchstwahrscheinlich an Unternehmer im Falle ähnlicher außergewöhnlicher Ereignisse gestellt werden.
Angesichts der erheblichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Unternehmen ist es ratsam, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen wie etwa die
- Überprüfung der verwendeten Vertragsmuster, um die Interessen des betreffenden Unternehmens im Falle höherer Gewalt angemessen zu schützen,
- Analyse der Art und Weise, wie ein bestimmtes Unternehmen Informationen und Dokumente über die finanzielle Situation des gesamten Unternehmens sammelt, um Mechanismen zu entwickeln, die in Zukunft eine effiziente Sammlung von Unterlagen ermöglichen, die die Auswirkungen von außergewöhnlichen Ereignissen auf die Aktivitäten dieses Unternehmens bestätigen.
Wenn Ihr Unternehmen eine Klage im Zusammenhang mit einer außergewöhnlichen Veränderung der Umstände erwägt, sich gegen eine Klage im Zusammenhang mit einer Verzögerung bei der rechtzeitigen Erfüllung aufgrund des Eintritts eines außergewöhnlichen Ereignisses verteidigt oder sich bereits in einem Rechtsstreit wegen einer solchen Klage befindet, stehen Ihnen unsere Experten gerne mit möglichen Lösungsvorschlägen zur Seite.
Das Litigation Team der JDP verfügt über umfangreiche Erfahrung in dieser Art von Rechtsstreitigkeiten. JDP bietet auch Vertragsberatungsdienste an – im Rahmen unserer umfangreichen Erfahrung in diesem Bereich können wir Ihre Vertragsvorlagen analysieren und Lösungen vorschlagen, die die Interessen Ihres Unternehmens im Falle eines Notfallereignisses wie der COVID-19-Pandemie schützen.