Case Study zur DSGVO #4 – Die Definition des Datenbegriffs einer besonderen Kategorie
Zu personenbezogenen Daten der besonderen Kategorie im Sinne von Art. 9 DSGVO zählen Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer Person. Der EuGH hatte zu entscheiden, ob die Veröffentlichung von Daten, die indirekt Aufschluss über sensible Informationen geben können, dem grundsätzlichen Verarbeitungsverbot von Art. 9 Abs. 1 DSGVO untersteht.
Zur Sache
Datum: 1. August 2022
Behörde: Gerichtshof der Europäischen Union
Sache: Vorlagefrage des Bezirksverwaltungsgerichts Vilnius.
Vorlagefragen zum EuGH zur Auslegung der DSGVO
In seinem Urteil vom 1. August 2022 (Az. C 184/20) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu zwei Vorlagefragen des Bezirksverwaltungsgerichts Vilnius entschieden, die die Auslegung von Vorschriften der DSGVO betrafen. Es war festzustellen, ob personenbezogene Daten in einer „Erklärung über private Interessen“ litauischer Personen, die im öffentlichen Dienst arbeiten und die auf einer Internetseite veröffentlicht wurden, Informationen zum Privatleben des Erklärenden und seines Ehepartners, Lebensgefährten oder Partners sowie seiner Kinder enthalten können, und die Veröffentlichung somit das Recht auf Privatsphäre (darunter Daten einer besonderen Kategorie) verletzen kann.
Entscheidung des EuGH – Verstoß gegen Datenschutz und Privatsphäre
Da sich die Angaben auf natürliche Personen beziehen, deren Vor- und Nachname genannt werden, stellen die Informationen, die auf der Internetseite veröffentlicht werden, personenbezogene Daten dar und der Umstand, dass diese Informationen unter die berufliche Tätigkeit des Erklärenden fallen, ändert hieran nichts.
Die staatliche Regelung über die Veröffentlichung der o.g. Informationen zielt darauf ab, die privaten Interessen der im öffentlichen Dienst tätigen Personen und die öffentlichen Interessen der Gesellschaft zum Ausgleich zu bringen, bei der Entscheidungsfindung den Vorrang des öffentlichen Interesses sicherzustellen, die Unparteilichkeit der getroffenen Entscheidungen zu gewährleisten sowie dem Auftreten und der Entwicklung von Korruption im öffentlichen Dienst vorzubeugen.
Die Veröffentlichung namentlicher Daten der oben genannten Personen kann Informationen über besonders geschützte Aspekte des Privatlebens der betroffenen Personen offenlegen, unter anderem über ihre sexuelle Orientierung.
Die Zusammenstellung der erforderlichen personenbezogenen Daten erlaubt die Erstellung eines detaillierten Portraits des Privatlebens der betroffenen Personen.
Die Verarbeitung führt zu einem ungehinderten Zugang zu diesen Daten im Internet für die Öffentlichkeit und damit für eine potenziell unbegrenzte Anzahl von Personen.
Die Verarbeitung stellt einen ernsthaften Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre und die personenbezogenen Daten der betreffenden Personen dar.
Auch wenn die personenbezogenen Daten, deren Veröffentlichung obligatorisch ist, aufgrund ihres Charakters keine besonders schützenswerten Daten darstellen, da es sich um den Vor- und Nachnamen des Ehegatten, Lebensgefährten oder Partner handelt, so kann man aus dieser Erklärung allerdings bestimmte Informationen über das Leben oder die sexuelle Orientierung des Erklärenden und seines Ehegatten, Lebensgefährten oder Partner herauslesen.
„Die Veröffentlichung personenbezogener Daten auf der Internetseite einer öffentlichen Stelle […], die mittelbar die sexuelle Orientierung einer natürlichen Person offenlegen kann, stellt eine Verarbeitung von Daten einer besonderen Kategorie im Sinne dieser Vorschriften dar.“