M&A – Wofür haften Verkäufer von Aktien oder Anteilen?

Aufgrund des Informations-Ungleichgewichts zwischen Käufer und Verkäufer enthalten Anteilskaufverträge in der Praxis Zusicherungen und Garantien (sog. Representations and Warranties), die der Verkäufer dem Käufer gegenüber abgibt. Diese beziehen sich sowohl auf Tatsachen als auch die Rechtslage, betreffen jedoch nicht nur die Anteile oder Aktien der Gesellschaft selbst, sondern auch die finanzielle Situation, steuerliche Angelegenheiten, Vermögensfragen, Verträge, Genehmigungen und andere Angelegenheiten des Unternehmens der Gesellschaft.

Haftung nicht nur für Anteilsrechte

Meistens haben M&A-Transaktionen die Veräußerung von Anteilen an einer polnischen GmbH (sp. z o.o.) oder Aktien einer Aktiengesellschaft (spółka akcyjna) bzw. Kleinen Aktiengesellschaft (prosta spółka akcyjna) zum Gegenstand. Der Käufer erwirbt auf diese Weise Anteilsrechte an der Gesellschaft und erlangt mittelbar Kontrolle über die Gesellschaft sowie das durch sie geführte Unternehmen.

Das polnische Zivilrecht sieht dabei grundsätzlich keine Haftung des Verkäufers für „Mängel“ des mittelbar übernommenen Unternehmens vor, zumindest aber ist diese Frage streitig. Der gesetzliche Haftungsumfang betrifft im Wesentlichen den unmittelbaren Transaktionsgegenstand, also die Aktien oder Anteile selbst. Daher ist es wichtig, Haftungsfragen im Zusammenhang mit dem Zustand von Vermögensbestandteilen einer übernommenen Gesellschaft auf vertraglicher Ebene zu regeln.

In der Transaktionspraxis gibt der Verkäufer in Anteilskaufverträgen (ang. share purchase agreement – SPA) daher gegenüber dem Käufer Zusicherungen und Garantien über die tatsächliche und rechtliche Lage ab, die sich nicht nur auf die Anteile und Aktien selbst, sondern auch auf die finanzielle Lage, Steuern, bewegliches und unbewegliches Vermögen, Verträge, Genehmigungen und andere Unternehmensbereiche beziehen.

Im Vertrag legen die Parteien auch die Rechtsfolgen fest, die eintreten, wenn sich die abgegebenen Zusicherungen und Garantien als unwahrhaftig oder unvollständig erweisen. Meistens handelt es sich dabei um eine Verpflichtung zum Schadensersatz, zur Herstellung des den Zusicherungen entsprechenden Zustands oder eine Haftungsbefreiung (des Käufers oder der Gesellschaft, deren Anteile oder Aktien Gegenstand der Transaktion sind). Wichtig ist daher, dass der SPA präzise den Umfang der Zusicherungen und Garantien formuliert, die die Haftungsgrundsätze des Verkäufers festlegen.

Nach bestem Wissen

Der Käufer erwartet vom Verkäufer, dass dessen Zusicherungen Garantiecharakter haben und eine eventuelle Haftung unabhängig von Verschulden, Wissen oder der Sorgfalt des Verkäufers eintritt. Die Zusicherungen und Garantien sollen objektiv der tatsächlichen Sach- oder Rechtslage entsprechen. Verkäufer streben in der Regel an, die Haftung für zumindest einige Zusicherungen und Garantien mit einer eingeschränkten Sorgfaltspflicht bei der Prüfung ihres Wahrheitsgehalts zu verbinden.

Daher werden einige Erklärungen „nach bestem Wissen“ des Verkäufers abgegeben. Was bedeutet das? Dies ist unklar, solange keine enstprechenden Erläuterungen im SPA zu finden sind. Grundsätzlich ist daher zu empfehlen, eine entsprechende Definitiondes des „besten Wissens“ in den SPA einzufügen. Fehlt eine solche, können die Parteien im Streitfall auf eine gerichtliche Entscheidung angewiesen sein. In der Praxis kann dies zu einer Auslegung führen, die die Sorgfaltspflicht des Verkäufers verschärft, da er sein bestes Wissen anwenden sollte und dieses „als sein auf besondere Weise erlangtes Wissen, das über den Durchschnitt in derartigen Verhältnissen hinausgeht“, verstanden wird.

Haftungsbeschränkung

Bei der Wirtschaftlichkeitsanalyse der jeweiligen Transaktion ist der Veräußerer bestrebt, den Umfang der Transaktion zu quantifizieren. Um diesen Umfang möglichst einzuschränken, werden verschiedene Haftungsbeschränkungen mit dem Käufer vereinbart, insbesondere wird ein allgemeines Haftungslimit eingeführt. Üblicherweise beträgt es 100 % des Aktien- oder Anteilspreises in Bezug auf die Haftung für die Anteilsrechte sowie zwischen 20 und 60 % in Bezug auf die übrigen Zusicherungen und Garantien. In letzterem Fall ist die Grenze fließend und von den Ergebnissen der rechtlichen und steuerrechtlichen Due Diligence-Prüfung der Gesellschaft abhängig – ein Marktstandard ist an dieser Stelle nur schwer zu ermitteln.

De-minimis-Betrag und Basket

Um eine Haftung für Bagatellansprüche auszuschließen, legen die Parteien in der Regel einen Wesentlichkeitsgrad fest. Üblicherweise besteht dieser aus einem De-minimis-Betrag, bis zu dem sämtliche Ansprüche nicht durch den Veräußerer ersetzt werden müssen. Eine zweite Schwelle ist das sog. Basket, in den die Ansprüche, die den De-minimis-Betrag nicht überschreiten, „hineinfallen“. Wird der Korb mit solchen Ansprüchen bis zu einem bestimmten Betrag (einem Vielfachen des De-minimis-Betrags) gefüllt, ist der Verkäufer verpflichtet, die Abweichungen wie vertraglich vereinbart zu beheben. Seine Pflicht bezieht sich je nach vertraglicher Vereinbarung entweder auf den Betrag, der den Wert des Korbes überschreitet oder auf den Betrag des Korbes.

Zeitliche Einschränkung

Eine weitere Art der Haftungsbeschränkung bezieht sich auf den Zeitraum, in dem die Anmeldung der Forderung aufgrund der Verletzung der Zusicherung eine Handlungspflicht des Verkäufers begründet. Auch in diesem Falle gibt es in der Praxis verschiedene Zeiträume: längere in Bezug auf Verletzungen steuerlicher Zusicherungen und Garantien, in Verbindung mit der Verjährung steuerlicher Verbindlichkeiten sowie kürzere in Bezug auf vermögenstechnische und geschäftliche Aspekte. Von diesen Beschränkungen ausgeschlossen sind Verletzungen von Zusicherungen und Garantien in Bezug auf Rechtsansprüche auf Anteilsrechte.

Keine Haftung bei Kenntnis des Käufers

Die Haftung wird auch durch die Vereinbarung eingeschränkt, dass Zusicherungen und Garantien keine dem Käufer bekannten Umstände betreffen können. Die Reichweite dieser Einschränkung hängt von der Definition der dem Käufer als bekannt angesehenen Umstände ab. Relativ sicher für den Käufer ist die Bezugnahme auf Dokumente, die im Rahmen der rechtlichen Due Diligence übergeben, sowie auf Unstimmigkeiten der Zusicherungen und Garantien, die im Rahmen dieser unmittelbar offengelegt werden. Aus Perspektive des Verkäufers ist es ratsam, sich auf sämtliche dem Käufer sowohl während der rechtlichen und steuerlichen Due Diligence als auch in Vorgesprächen und Transaktionsverhandlungen offengelegten Umstände zu berufen. Eine solche Vorgehensweise ist – wenig überraschend – für den Käufer nur schwer zu akzeptieren, da sie sowohl Umstände erfasst, die in einer umfangreichen E-Mail-Korrespondenz als auch in Telefonaten, Videokonferenzen und Treffen offengelegt wurden.

Eine Haftungseinschränkung auf Seiten des Verkäufers findet regelmäßig auch durch Parteivereinbarung im SPA statt, laut deren sich Verbindlichkeiten des Verkäufers sowie seine Schadensersatzhaftung ausschließlich aus vertraglichen Bestimmungen ergeben können. Unmittelbar ausgeschlossen wird die gesetzliche Mängelgewährleistung für Rechtsmängel der Anteilshaberschaft sowie die ordnungsgemäße Vertragserfüllung.

Sicherung potenzieller Ansprüche

Die im SPA festgelegten Grundsätze der Haftung des Verkäufers können sich in der Praxis als wertlos erweisen, wenn der Verkäufer nicht über das entsprechende Vermögen verfügt, aus dem sich der Käufer befriedigen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich beim Verkäufer um eine Holdinggesellschaft handelt, deren Vermögen aus den veräußerten Anteilsrechten besteht und der gezahlte Kaufpreis gleich nach der Transaktion an die tatsächlichen Benefiziaten verteilt wird. In einer solchen Situation muss der Käufer eine wenigstens teilweise Sicherung seiner potenziellen Ansprüche erwirken. Diese kann aus dem Einbehalt eines Teils des Kaufpreises bestehen, der entweder beim Käufer verbleibt oder aber auf ein Escrow-Konto eingezahlt wird und dem Verkäufer nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums ausgezahlt wird, wenn der Käufer keine Ansprüche aus dem SPA geltend macht.

Eine andere Möglichkeit zur Absicherung kann die Abgabe einer Zahlungsgarantie oder Bürgschaft der Benefizianten der Transaktion bzw. ihrer verbundenen Unternehmen sein, die über das entsprechende Vermögen verfügen und sich dessen nur unwahrscheinlicher Weise entledigen. Ebenfalls möglich ist die Bestellung einer Grundstückshypothek oder eines Pfandrechts an beweglichen Sachen des Verkäufers bzw. verbundener Unternehmen.